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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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würde – jungen Damen, wie er nicht ausdrücklich hinzuzufügen vergaß. Außerdem sei das ein wissenschaftlich erwiesenes Faktum. In seinem eigenen Lande, so erklärte er ihnen im Brustton der Überzeugung, sei es gang und gäbe, daß man die bestaussehenden und reizvollsten Mädchen aussuche, die man finden könne, wolle man Fremden, die der Zufall ins Land verschlagen habe, die Sprache beibringen.
    Die alten Herren standen mit offenem Mund da. Es wäre, so gaben sie zu, etwas Wahres in seinen Worten, führe doch die Betrachtung des Schönen, wie ihre Philosophie lehrte, zu einer gewissen Durchlässigkeit des Geistes, ähnlich der, die der heilsame Einfluß von Sonne und Luft beim physischen Körper hervorrufe. Folglich wäre die Wahrscheinlichkeit hoch, daß wir die Sprache der Zu-Vendi ein wenig schneller absorbieren könnten, wenn man passende Lehrkräfte für uns finde. Ein weiterer Vorteil wäre darin zu sehen, daß wir, da ja das weibliche Geschlecht bekanntlich etwas geschwätzig wäre, hervorragende Praxis im Viva-voce -Bereich unserer Sprachstudien erlangen würden.
    Diesen Ausführungen pflichtete Good eifrig bei, und alsbald entschwanden die Herren mit der festen Zusicherung, ihre Anweisungen würden voll und ganz unseren Wünschen entsprechen, und man würde sich bemühen, unserem Geschmack so gut wie möglich gerecht zu werden.
    Sie können sich daher, verehrter Leser, vorstellen, wie überrascht und gleichzeitig ärgerlich ich war – und ich bin sicher, Sir Henry teilte in diesem Punkt voll und ganz meinen Standpunkt –, als wir am darauffolgenden Morgen beim Betreten des Raumes, in dem wir wie gewöhnlich unsere Studien fortsetzen wollten, anstelle der ehrwürdigen alten Herren drei der bestaussehenden jungen Damen vorfanden, die Milosis aufbieten konnte – und das will schon etwas heißen! Als wir eintraten, erröteten sie heftig, machten schüchtern lächelnd einen Knicks und gaben uns zu verstehen, daß sie gekommen wären, unsere Anweisungen auszuführen. Und während wir noch dastanden und uns verblüfft anstarrten, hielt Good die Zeit für gekommen, uns zu sagen, daß die alten Herren ihn am Abend zuvor unterrichtet hätten, sie hielten es für absolut notwendig, daß unsere weitere sprachliche Unterweisung von Mitgliedern des anderen Geschlechts durchgeführt werde. Ich fühlte mich von der Situation völlig überrumpelt und wandte mich an Sir Henry mit der Bitte um einen Rat in einer derartigen Krise.
    »Hm«, sagte er, wobei er sich räusperte, »wie ihr seht, sind die Damen nun einmal hier, nicht wahr? Wenn wir sie nun wieder fortschicken, glaubt ihr nicht, daß wir damit ihre Gefühle verletzen? Wir wollen doch nicht unhöflich und grob sein, oder? Und außerdem – sehen sie nicht bezaubernd aus?«
    Mittlerweile hatte Good schon seine Lektion mit der hübschesten von den dreien begonnen; zu ändern war ohnehin nichts mehr an der Situation. Also seufzte ich einmal tief und ergab mich in mein Schicksal. An jenem Tag verlief alles bestens: die jungen Damen waren wirklich sehr klug, und sie lächelten auch nur dann, wenn einer von uns einen Schnitzer machte. Good war so eifrig bei der Sache wie nie zuvor, und sogar Sir Henry paukte Zu-Vendi mit ganz neuem Elan. Je nun, dachte ich, ob das wohl lange so anhält?
    Tags darauf waren wir schon weit lebendiger als am Vortage: Unsere Studien waren angenehm aufgelockert mit Fragen, die unser Heimatland betrafen: z.B. wie die Frauen in England wären etc. Wir beantworteten alle Fragen so gut wir konnten auf Zu-Vendi, und ich hörte, wie Good seiner Lehrerin versicherte, ihr Liebreiz sei im Vergleich mit den Schönheiten Europas wie der der Sonne im Vergleich zum Mond, worauf sie neckisch den Kopf zurückwarf und erwiderte, sie sei nichts weiter als eine schlichte, unscheinbare Lehrerin, und es wäre nicht nett, ein armes Mädchen so in Verlegenheit zu bringen. Danach sangen sie uns ein Lied vor; es war wirklich ganz reizend, so natürlich und unaffektiert. Die Liebeslieder der Zu-Vendi sind sehr schön und ergreifend.
    Am dritten Tag waren wir schon ganz vertraut miteinander; Good erzählte seiner hübschen Lehrerin seine letzten Liebesaffären, was sie so sehr rührte, daß sich ihre Seufzer mit den seinigen vermengten. Ich plauderte mit der meinigen, einem aufgeweckten, blauäugigen Geschöpf, über die Kunst der Zu-Vendi, während hinten in der Ecke Sir Henry mit seiner Erzieherin allem Anschein nach gerade dabei war, eine anschauliche Lektion

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