Allan Quatermain
in unseren Gesichtern wie in einem Buch. Nur dann und wann streute sie eine Bemerkung ein und lächelte dabei ihr flüchtiges, geheimnisvoll dunkles Lächeln, das mir erschien wie ein Blitz, der in einem Sommergewitter durch eine dunkle Wolke fährt. Und in ihrer Nähe, so nahe, wie er sich eben heranwagte, saß Good und schaute sie hingebungsvoll durch sein Monokel an. Er war auf dem besten Wege, sich ernsthaft in diese dunkle Schönheit zu verlieben, vor der ich persönlich schreckliche Furcht empfand. Ich beobachtete sie sehr genau, und bald war mir klar, daß all ihre zur Schau getragene Gelassenheit nur dazu diente, die bittere Eifersucht, die sie Nylephta gegenüber empfand, zu verbergen. Und noch etwas bemerkte ich an ihr; eine Erkenntnis, die mich in Angst und Schrecken versetzte: auch sie war auf dem besten Wege, sich in Sir Henry Curtis zu verlieben! Ich war natürlich nicht sicher; es ist nicht leicht, einer so kühlen, stolzen Frau die Gefühle vom Gesicht abzulesen. Aber ich war doch ziemlich sicher, zwei oder drei Anzeichen bemerkt zu haben, und, wie Elefantenjäger wissen: trockenes Gras zeigt am besten, woher der Wind weht.
Und so vergingen drei weitere Monate. Inzwischen hatten wir alle einen beachtlichen Stand im Zu-Vendi, einer im Grunde auch recht leicht zu erlernenden Sprache, erreicht. Mit der Zeit hatten wir eine riesige Beliebtheit bei der Bevölkerung, ja sogar bei den Adeligen des Hofes, erlangt. Wir standen in dem Ruf enormer Klugheit, und zwar in erster Linie deshalb, weil Sir Henry – ich glaube, ich erwähnte es bereits – in der Lage war, ihnen zu zeigen, wie Glas hergestellt wurde (womit in der Tat ein großer nationaler Mangel behoben werden konnte); aber auch deshalb, weil wir mit Hilfe eines aus England mitgebrachten Kalenders, der eine Übersicht über die kommenden zwanzig Jahre bot, Voraussagen über diverse Himmels- und Gestirnskombinationen machen konnten, die die einheimischen Astronomen nicht vorausgesehen hatten. Es gelang uns sogar, vor einer Versammlung von Gelehrten, das Prinzip der Dampfmaschine zu demonstrieren; was die Herren mit großem Erstaunen erfüllte. Und noch weitere derartige Dinge brachten wir ihnen bei. Und so kam es, daß das Volk an die Königinnen appellierte, man dürfte auf keinen Fall zulassen, daß wir außer Landes gingen (was wir ohnehin, selbst, wenn wir es gewollt hätten, kaum hätten tun können). Wir wurden mit Ehrungen geradezu überhäuft: man ernannte uns sogar zu Offizieren der Leibwache Ihrer Majestäten, der Königinnen. Man teilte uns feste Quartiere im Palast zu, und bei wichtigen politischen Fragen von nationaler Bedeutung wurde unser Rat eingeholt.
Und so wäre alles eitel Sonnenschein für uns gewesen, wenn sich nicht am Horizont drohend eine große Wolke zusammengeballt hätte: Zwar war der Zwischenfall mit den verdammten Flußpferden nie wieder erwähnt worden, aber das bedeutete beileibe nicht, daß unser Sakrileg vergeben und vergessen war, oder daß die wütende Feindschaft, die die Priesterschaft, angeführt von dem mächtigen Hohepriester Agon, gegen uns hegte, besänftigt war. Im Gegenteil – sie loderte um so heller, je mehr sie aufgrund unserer allgemeinen öffentlichen Beliebtheit unterdrückt werden mußte, und was vielleicht aus purer Frömmelei begonnen hatte, war mittlerweile zu tiefem, aus Neid genährtem Haß geworden. Bisher nämlich waren die Priester immer die weisen Männer im Lande gewesen, und man hatte sie deshalb, und darüber hinaus noch aus Gründen des Aberglaubens, mit besonderer Ehrfurcht betrachtet. Unser Erscheinen jedoch hatte den jahrhundertealten Stand der Dinge erheblich aus dem Gleichgewicht gebracht; mit unserem für die Bevölkerung fast übernatürlich anmutenden Wissen, mit unseren fremdartigen Erfindungen und unseren Hinweisen auf bisher unvorstellbar gehaltene Dinge hatten wir, insbesondere bei den gebildeten Zu-Vendi, ein unerhörtes Prestige erlangt und gleichzeitig die bornierte Priesterschaft in den Augen der Bevölkerung von ihrem Sockel des Hochmuts heruntergeholt. Was ihnen jedoch als noch viel größerer Affront erscheinen mußte, waren die ungeheure Beliebtheit und die offiziellen Ehrungen, die wir genossen. All dies hatte bewirkt, daß wir der gesamten Priestersippschaft, und damit der mächtigsten, weil am straffsten organisierten Interessengruppe innerhalb des Staatsgefüges, ein unerträglicher Dorn im Auge waren.
Einen anderen Herd ständig drohender Gefahr stellte der
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