Allan Quatermain
die schuppenähnlichen goldenen Plättchen herabhingen. Des weiteren war eine große Anzahl hoher Adeliger zugegen; auch sie boten ein imposantes Bild mit ihren prunkvoll gekleideten Gefolgsleuten. Die herausragende Erscheinung unter ihnen war jedoch Nasta, der sich mit nachdenklicher Miene durch den schwarzen Bart fuhr und ein ungewöhnlich mißmutiges Gesicht machte.
Es war eine äußerst prunkvolle und beeindruckende Zeremonie, besonders, wenn der Offizier die einzelnen Gesetze, sobald er sie laut verlesen hatte, den Königinnen zur Unterzeichnung überreichte. Dann schmetterten die Fanfaren, und die Leibgardisten der Königinnen stießen zum Salut ihre Speere knallend auf den Marmorboden. Das Verlesen und Unterzeichnen der Gesetze dauerte ziemlich lange, doch schließlich endete die Prozedur damit, daß das letzte verlesen wurde. Darin wurde »gewissen Fremden, die sich in hervorragender Weise um das Land verdient gemacht hatten«, der Fürstentitel verliehen, dazu einige militärische Kommandos und große Landgüter als persönliches Geschenk der Königinnen. Als es verlesen war, schmetterten wieder die Fanfaren, und die Leibgardisten stießen wie schon bei den anderen Gesetzen ihre Speere auf den Boden. Ich bemerkte, daß einige der Adeligen sich umwandten und miteinander tuschelten. Nasta mahlte wütend mit den Zähnen aufeinander. Es paßte ihnen ganz und gar nicht, daß wir mit derlei Gunstbezeugungen bedacht wurden, was ja auch unter all den gegebenen Umständen nicht weiter verwunderlich war.
Danach kam eine Pause, und schließlich trat Nasta vor den Thron und bat mit einer tiefen Verbeugung – der jedoch sein alles andere als unterwürfig zu bezeichnender Blick Hohn sprach – die Königin Nylephta um Gehör.
Nylephta wurde ein wenig blaß, aber sie machte eine freundliche Verbeugung und forderte den »hochgeschätzten Fürsten« auf, sein Ansinnen vorzubringen, woraufhin dieser sie mit wenigen, soldatisch anmutenden Worten bat, seine Frau zu werden.
Bevor sie überhaupt die passenden Worte zu einer Erwiderung gefunden hatte, ergriff auch schon der Hohepriester Agon das Wort, und mit einer feurigen Rede von höchster Eloquenz und Überzeugungskraft wies er auf die zahlreichen Vorteile hin, die eine solche Allianz mit sich bringen würde; wie sehr sie dazu dienen würde, das Königreich zu konsolidieren (ich muß dazu erläutern, daß Nastas Gebiet, über das er de facto wie ein König regierte, im Verhältnis zum übrigen Zu-Vendis so etwas war wie Schottland im Verhältnis zu England); wie sehr sie dazu beitragen würde, endlich das wilde Bergvolk zu befriedigen; ja, und wie sehr das Militär diese Verbindung schätzen würde, denn Nasta war ein berühmter General. Eine solche Heirat würde den Fortbestand ihrer Dynastie sichern und last not least wäre dieser Allianz der Segen und die Zustimmung der »Sonne« (d.h. des Hohepriesters) gewiß; usw., usf. Viele der Argumente, die er vorbrachte, waren durchaus nicht von der Hand zu weisen, und, betrachtete man die Sache vom politischen Standpunkt aus, sprach eigentlich alles für diese Heirat. Aber leider ist es nun einmal nicht so einfach, das Spiel der Politik mit den Personen zweier junger und reizender Königinnen zu spielen, als wären sie nichts weiter als beinerne Abbilder ihrer selbst auf einem Schachbrett. Während Agon noch daherschwadronierte, beobachtete ich Nylephtas Gesicht; es war eine perfekte Studie: Zwar lächelte sie, doch unter dieser Maske des Lächelns war ihr Gesicht hart wie Stein, und ihre Augen stießen drohende Blitze hervor.
Schließlich war Agon mit seinem Sermon fertig, und Nylephta machte sich bereit, zu antworten. Bevor sie jedoch dazu kam, beugte sich Sorais zu ihr hinüber und sagte so laut, daß ich jedes Wort verstehen konnte: »Überlege dir genau, was du sagen willst, meine Schwester, bevor du antwortest; mich deucht, daß unser Thron von deinen Worten abhängen kann.«
Nylephta gab ihr jedoch keine Antwort, und mit einem Lächeln lehnte sich Sorais schließlich achselzuckend in ihren Thronsessel zurück.
»Es ist fürwahr eine hohe Ehre für mich«, begann Nylephta, »daß nicht nur um meine Hand angehalten wird, sondern daß sogar Agon sich beeilt, dieser Verbindung den Segen der Sonne zu erteilen. Mich dünkt, es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte mich schon verheiratet, bevor ich noch mein Jawort gegeben habe. Nasta, ich sage dir Dank, und ich werde mich deiner Worte besinnen, aber mir steht nicht der
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