Allan Quatermain
Schilde führte, doch da er sie noch immer liebte, nahm er sie zur Frau.
Und noch in derselben Nacht, in der sie gekaut waren, stand die Frau, als der Mann in tiefen Schlaf gesunken war, auf und nahm die Axt aus seiner Hand und schlich in die Hütte seines Bruders und erschlug ihn im Schlaf. Und dann stahl sie sich davon wie eine vollgefressene Löwin und legte die blutrote Axt wieder auf seinen Arm und ging ihres Weges.
Und beim Morgengrauen kamen die Menschen und schrien: ›Lousta ist in der Nacht getötet worden!‹ Und dann gingen sie zu der Hütte des Mannes, und da lag er in tiefem Schlummer, und die blutige Axt lag neben ihm. Und sie erinnerten sich wieder, daß Krieg zwischen den beiden Brüdern gewesen war, und sie sprachen: ›Seht her! Gewiß hat er seinen Bruder getötet‹, und sie hätten ihn sicherlich ergriffen und getötet, wenn er nicht schnell aufgestanden und geflohen wäre. Und während er floh, sah er die Frau und tötete sie.
Aber auch der Tod konnte nicht die Schuld auslöschen, die sie auf sich geladen hatte, und nun ruhte all ihre Sünde auf seinen Schultern. Und darum ist er ein Geächteter, und sein Name wird in seinem Volke nur mit Verachtung ausgesprochen, denn auf ihm, und nur auf ihm, lastet die Bürde von der, die betrogen und verraten hat. Und darum wandert er in der Ferne umher, ohne eigenen Kraal, ohne einen Ochsen oder eine Frau, und daher wird er in der Ferne sterben wie ein verwundetes Tier, und sein Name wird verflucht sein von Generation zu Generation, und die Menschen werden sagen, daß er es war, der seinen Bruder des Nachts heimtückisch abschlachtete.«
Hier hielt der alte Zulu inne, und ich merkte, daß er selbst tief bewegt war von seiner eigenen Geschichte. Doch sogleich hob er wieder den Kopf, den er auf die Brust hatte sinken lassen, und fuhr fort:
»Dieser Mann war niemand anderes als ich, Bougwan. Oh, ich war dieser Mann, und nun höre weiter zu! So wie ich war, wirst auch du sein – ein Werkzeug, ein Spielzeug, ein Lastochse, der die bösen Taten eines anderen tragen muß. Höre! Als du hinter der ›Herrin der Nacht‹ einherschlichest, da war ich dicht hinter dir. Und als sie dich mit dem Messer stach in der Schlummerstätte der Weißen Königin, da war ich auch zugegen. Und als du sie entgleiten ließest wie eine Schlange zwischen den Steinen, da sah ich dich, und ich wußte, daß sie dich verhext hatte und daß ein aufrichtiger Mann den Pfad der Wahrheit verlassen hatte, und daß der, der vorher den geraden Weg gegangen war, nun den krummen Pfad beschritten hatte. Vergib mir, mein Vater, wenn meine Worte scharf sind, aber sie kommen aus einem redlichen Herzen. Sieh sie nicht mehr, und du wirst als ehrenhafter Mann ins Grab gehen. Sonst wirst du, so wie ich, wegen der Schönheit einer Frau, die auf dir lastet wie ein Gewand aus Pelz, einhergehen; und vielleicht mit größerer Berechtigung als ich. Ich habe gesprochen.«
Während dieser langen und wortreichen Ansprache hatte Good kein Wort gesagt. Als die Geschichte jedoch immer mehr Gestalt annahm und er merkte, daß sie seiner eigenen verteufelt ähnlich war, errötete er, und als er schließlich auch noch erfuhr, daß Umslopogaas alles von Anfang bis Ende mitbekommen hatte, war er zu Tode betrübt. Und als er sich dann schließlich zu dem Vorfall äußerte, tat er dies in einem so niedergeschlagenen Ton, wie man ihn bei ihm gar nicht kannte.
»Ich muß gestehen«, sagte er mit einem bitteren Lächeln, »daß ich wohl niemals auch nur im Traum daran gedacht hätte, mir einmal von einem Zulu die Leviten lesen lassen zu müssen. Aber es zeigt doch einmal wieder, wie schnell man in die Tinte geraten kann. Ich frage mich, ob ihr Burschen mir nachfühlen könnt, wie erniedrigt ich mich fühle. Und was das Ganze um so bitterer macht: ich habe es nicht anders verdient. Natürlich hätte ich Sorais der Wache übergeben müssen, aber ich konnte es einfach nicht, versteht ihr? Ich ließ sie laufen und versprach ihr, Stillschweigen zu bewahren. Mein Gott, wie ich mich schäme! Sie sagte mir, daß sie mich heiraten und zum König dieses Landes machen würde, wenn ich mich auf ihre Seite schlüge. Aber Gott sei Dank brachte ich den Mut auf, ihr zu sagen, daß selbst dann, wenn sie mich heiraten würde, ich nicht meine Freunde verließe. Und nun macht mit mir, was ihr wollt; verdient habe ich es auf jeden Fall. Eines jedoch will ich euch noch sagen: Ich will nur hoffen, daß keiner von euch jemals eine Frau von
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