Allan Quatermain
gewesen, sie der öffentlichen Schande und dem Feuertod auszuliefern? Sieh die Sache doch einmal ein paar Minuten durch Goods Monokel, bevor du dich dazu hinreißen läßt, einen guten alten Freund als Schurken zu beschimpfen!«
Er hörte sich meine Standpauke gehorsam an und gab rundheraus zu, zu hart gegenüber Good geurteilt zu haben. Es ist eine von Sir Henrys besten Charaktereigenschaften, daß er stets bereit ist, einen Fehler, den er gemacht hat, zuzugeben.
Wenn ich mich auch mit allem Nachdruck für Good einsetzte, so war ich dennoch nicht blind gegenüber der Tatsache, daß er, so verständlich und natürlich sein Verhalten auch sein mochte, auf dem besten Wege war, sich in eine heikle Klemme hineinzureiten. Immerhin hatte Sorais versucht, ein Attentat auf ihre Schwester zu verüben, und er hatte die Mörderin laufen lassen; damit hatte er ihr unter anderem die Möglichkeit gegeben, ihn voll in der Hand zu haben und jede Art von erpresserischem Druck auf ihn auszuüben. Er war in der Tat auf dem besten Wege, ihr Werkzeug zu werden – und es kann keinem Mann ein schlimmeres Schicksal widerfahren, als das Werkzeug einer skrupellosen Frau zu werden; oder überhaupt einer Frau. So etwas führt schließlich immer zum selben Ende: Wenn er vollends zerbrochen ist, oder wenn er seinen Zweck erfüllt hat, dann wird er fallengelassen wie eine heiße Kartoffel, und dann kann er zusehen, wie er seine verlorene Achtung vor sich selbst wiederfindet. Während ich noch über diesen Vorfall nachgrübelte und überlegte, was man in einem solchen Fall am besten machen sollte – war doch die ganze Situation äußerst prekär –, hörte ich plötzlich von draußen auf dem Hof einen Riesenlärm. Ich erkannte sogleich die Stimmen von Umslopogaas und Alphonse; der erstere fluchte wie ein Berserker, während der letztere ein panisches Gebrüll von sich gab.
Ich rannte sofort nach unten auf den Hof, um zu sehen, was los war. Unten bot sich meinen Augen ein drolliger Anblick: der kleine Franzose rannte wie von Furien gehetzt über den Hof, und Umslopogaas schoß wie ein Windhund hinter ihm her. Gerade in dem Moment, als ich aus der Tür trat, erwischte er Alphonse beim Kragen. Er hob ihn buchstäblich von den Beinen und trug ihn zu einem nahegelegenen Strauch, der in voller Blüte stand. Es war eine Blume, die unserer Gardenie ein wenig ähnelte, jedoch war der ganze Strauch mit kurzen Stacheln bedeckt. Ungerührt vom gellenden Geschrei und Gezappel des Franzosen warf Umslopogaas den armen Kerl mit dem Kopf voran mitten in den Strauch, so daß nur noch seine. Unterschenkel und seine Absätze herausguckten. Dann stellte er sich, zufrieden mit seiner Leistung, mit verschränkten Armen vor den Strauch und betrachtete mit grimmigem Lächeln Alphonses verzweifelt strampelnde Beine und lauschte mit sichtlicher Genugtuung seinen gellenden Schmerzensschreien.
»Was tust du da?« schrie ich wütend und rannte zu ihm hin. »Willst du den Mann umbringen? Zieh ihn sofort aus dem Busch heraus!«
Mit einem wilden Grunzen gehorchte der Zulu und packte den unglückseligen Alphonse beim Fußgelenk. Und mit einem Ruck, mit dem er ihm beinahe den Fuß ausgerenkt hätte, zog er ihn aus dem Gestrüpp heraus. Nie zuvor hatte ich einen bedauernswerteren Anblick gesehen: Alphonses Kleider waren fast völlig zerrissen, und der arme Kerl blutete am ganzen Leib aus den Wunden, die ihm die scharfen Dornen gerissen hatten. Vor Schmerz schreiend wälzte er sich auf der Erde, und es war völlig unmöglich, etwas aus ihm herauszubekommen.
Schließlich rappelte er sich auf, und aus dem sicheren Schutz meines Rückens verfluchte er den alten Umslopogaas bei allen Heiligen, mit denen der Kalender aufzuwarten hat; und bei dem Blute seines heroischen Großvaters schwor er, ihn zu vergiften und sich fürchterlich zu rächen.
Und schließlich bekam ich dann auch heraus, worum es eigentlich ging. Gelegentlich kochte Alphonse Umslopogaas seinen Haferschleim, den der letztere, ganz, wie er es auch daheim in Zululand getan hätte, mit einem Holzlöffel aus einer Kürbisflasche irgendwo in einer Ecke des Hofes aß. Nun hatte Umslopogaas, wie übrigens sehr viele Zulu, einen großen Ekel vor Fisch. Er betrachtete dieses Tier als eine Art Wasserschlange. Alphonse, dem ständig der Schalk im Nacken saß, und der darüber hinaus ein vollendeter Koch war, beschloß daher, Umslopogaas einen Streich zu spielen, indem er ihn ohne dessen Wissen Fisch essen lassen wollte. Er
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