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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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unterhalb der Stelle, wo das Kettenhemd aufhörte, war eine weitere tiefe Schnittwunde, und auf der rechten Seite seines Oberkörpers wies das Kettenhemd einen sechs Zoll langen Riß auf; es war die Stelle, an der Nastas gewaltiger Schwerthieb das stählerne Gewebe durchschlagen hatte und tief in den Leib des Zulu gedrungen war.
    Er torkelte weiter, der grausam zugerichtete, prächtige alte Zulu, die Axt noch immer in der Hand. Die Damen vergaßen ob dieses schauerlichen Anblicks ohnmächtig zu werden und jubelten ihm stürmisch zu. Er beachtete sie nicht und torkelte weiter wie ein Trunkener. Mit ausgestreckten Armen wankte er über den mit Muschelschalen bestreuten Pfad. Wir folgten ihm nach, vorbei an der Stelle, wo die Marmorblöcke lagen, und dann durch den runden Torbogen und die dicken Vorhänge, die in ihm herabhingen. Jetzt taumelte er durch den kurzen Gang und trat in die große Halle, die sich mittlerweile mit Männern gefüllt hatte, die durch den Seiteneingang hereinströmten. Er ging mitten durch die große Halle, wobei er eine breite Blutspur hinter sich herzog. Jetzt hatte er den heiligen Stein erreicht, der sich in der Mitte der Halle befand, und hier schienen ihn endgültig seine Kräfte zu verlassen, denn er blieb plötzlich stehen und stützte sich schwer auf seine Axt. Doch dann reckte er sich mit einem Mal hoch und rief mit lauter Stimme:
    »Ich sterbe, ich sterbe – aber es war ein königlicher Kampf. Wo sind die, die die große Treppe heraufstürmten? Ich sehe sie nicht. Bist du da, Macumazahn, oder bist du schon vorausgegangen in die Dunkelheit, die mich gleich einhüllen wird, um mich zu erwarten? Das Blut macht mich blind – alles dreht sich im Kreise – ich höre die Stimmen der Wasser.«
    Dann, plötzlich, als wäre ihm ein neuer Gedanke gekommen, hob er die rote Axt und küßte die Schneide.
    »Leb wohl, Inkosi-kaas«, rief er laut. »Nein, nein, wir werden zusammen von hinnen gehen; wir können nicht auseinandergehen, du und ich. Zu lange haben wir miteinander gelebt, du und ich.
     

     
    Ein letzter Schlag, ein einziger, letzter Schlag nur! Ein guter Schlag! Ein gerader Schlag! Ein fester Schlag!« Und mit diesen Worten reckte er sich zu voller Größe auf, stieß einen wilden, markerschütternden Schrei aus, der einem das Blut in den Adern gefrieren machte, und begann, Inkosi-kaas mit beiden Händen hoch über seinem Kopf wirbeln zu lassen, bis es den Anschein hatte, als sei sie ein einziges kreisförmiges Band aus blitzendem Stahl. Und dann, ganz plötzlich, ließ er sie mit fürchterlicher Wut auf den heiligen Stein hinabsausen. Ein wahrer Schauer von Funken sprühte hoch, und die Schneide fuhr mit solch gewaltiger, ja übernatürlich anmutender Wucht in den Stein, daß der massive Marmorklotz mit einem fürchterlichen Krachen in tausend Stücke zersplitterte. Von Inkosi-kaas blieb nichts weiter übrig als ein paar Bruchstücke aus Stahl und ein zerfasertes Band aus zerschmettertem Horn, das einst der Griff gewesen war. Mit lautem Poltern und Klirren fielen die Bruchstücke des heiligen Steins auf den Marmorboden, und mit einem dumpfen Aufprall folgte ihnen der tapfere alte Zulu, den Griff von Inkosi-kaas noch immer fest umklammernd. – Er war tot.
    Und so starb ein Held.
    Ein erstickter Aufschrei der Ehrfurcht und der Bewunderung erscholl aus den Kehlen all derer, die Zeuge dieser außergewöhnlichen Szene geworden waren. Jemand schrie: » Die Weissagung! Die Weissagung! Der heilige Stein! Er hat ihn zerschmettert!« Und sogleich ging ein Raunen durch die Halle.
    »Fürwahr«, rief Nylephta, die mit der ihr eigenen schnellen Auffassungsgabe, die sie so auszeichnete, sofort die Tragweite dessen, was geschehen war, erkannt hatte. »Fürwahr, mein Volk! Er hat den Stein zerschmettert! Und siehe da, die Prophezeiung hat sich erfüllt; denn ein König, der aus einem fremden Land zu uns kam, herrscht nun über Zu-Vendis. Incubu, mein Gemahl, hat Sorais' Truppen zurückgeschlagen. Ich fürchte sie nun nicht mehr. Dem aber, der die Krone so heldenhaft gerettet hat, soll auch die Ehre zuteil werden, sie auf sein Haupt zu setzen. Und jener Mann dort«, fügte sie, an mich gewandt, hinzu, und legte ihre weiße Hand auf meine Schulter, »ritt, wiewohl er in der Schlacht schwer verwundet ward, zusammen mit jenem großen alten Krieger, der dort am Boden liegt, hundert Meilen zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen, um mich zu retten vor der Verschwörung heimtückischer Meuchelmörder.

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