Allan Quatermain
solcher Wucht auf den Zulu ein, daß die Spitze den Schild glatt durchschlug und ihm in den Hals drang. Umslopogaas schleuderte den durchbohrten Schild fort, und dieser Augenblick sollte Agons letzter sein; noch bevor er erneut ausholen und zustoßen konnte, hatte der Zulu Inkosi-kaas mit beiden Händen gegriffen, schrie gellend: »Nimm dies, Regenmacher!« , wirbelte die Axt hoch in die Luft und spaltete mit einem fürchterlichen Hieb den ehrwürdigen Schädel des Priesters bis zum Hals, so daß dieser tödlich getroffen auf die Leichen seiner Spießgesellen sank. Das war sein Ende und zugleich das seines schändlichen Komplotts. Und noch während er fiel, erscholl vom Fuße der Treppe her ein Ruf. Wir schauten hinaus durch die noch nicht vom Marmor geschlossene Lücke in der Toröffnung und sahen zu unserer großen Freude, wie Bewaffnete die Treppe heraufgerannt kamen und uns zu Hilfe eilten. Voller Freude antworteten wir auf ihren Ruf. Als die Verschwörer, unter denen ich mehrere Priester sah, erkannten, daß ihr Spiel aus war, wandten sie sich hastig zur Flucht. Doch der Weg war ihnen abgeschnitten; es gab kein Entrinnen mehr. Einer nach dem anderen wurden sie niedergemacht. Ein Mann jedoch war oben geblieben; es war der mächtige Fürst Nasta, Nylephtas Freier, der Kopf der Verschwörerbande. Einen Augenblick lang stand er da, auf sein Schwert gestützt, den Kopf voller Verzweiflung gesenkt. Doch dann stürzte er sich mit einem gräßlichen Schrei der Wut und des Hasses auf den alten Zulu. In wilder Raserei hob er den blitzenden Stahl und versetzte ihm einen solch fürchterlichen Hieb, daß die Schneide mit einem lauten Klirren durch das Kettenhemd schlug und tief in Umslopogaas' Seite fuhr. Der Zulu war für einen Moment wie gelähmt; die Axt fiel ihm aus der Hand. Erneut holte Nasta aus und sprang einen Schritt vor, um dem Zulu den Rest zu geben. Aber da kannte er seinen Gegner schlecht. Der alte Zulu riß sich mit einem Schütteln zusammen und sprang Nasta mit einem gellenden Wutschrei direkt an die Gurgel, wie ich es schon einmal bei einem verwundeten Löwen gesehen hatte. Er traf ihn mit voller Wucht, gerade als er seinen Fuß auf die oberste Stufe setzen wollte. Wie stählerne Bänder umschlossen seine langen Arme den Körper des Fürsten, und dann rollten beide in wildem Handgemenge die Treppe hinunter. Nasta war ein starker Mann, und er kämpfte mit dem Mute der Verzweiflung, doch dem stärksten Mann von Zululand war er nicht gewachsen. Wenn er auch schwer verwundet war, so besaß er doch immer noch schier übermenschliche Kräfte. Der Kampf sollte nicht lange dauern. Ich sah, wie der alte Umslopogaas taumelnd auf die Beine kam – und dann, alle Kräfte zusammennehmend, hob er den verzweifelt um sich tretenden und schlagenden Nasta hoch über seine Schultern und schleuderte ihn mit einem gellenden Triumphschrei über das Geländer der Brücke in die Tiefe, wo er mit zerschmetterten Gliedern auf den Felsen liegenblieb.
Inzwischen waren auch die Männer, die die Mädchen aus dem Hafen geholt hatten, eingetroffen, und die lauten Rufe, die von den Außentoren zu uns herüberhallten, verrieten uns, daß auch die Stadt inzwischen auf den Beinen war, und daß die Männer, die von den Mädchen geweckt worden waren, Einlaß begehrten. Einige von Nylephtas tapferen Zofen, die in ihren Nachtgewändern und mit offenem Haar, gerade so, wie sie aus dem Schlaf geholt worden waren, so aufopferungsvoll mitgeholfen hatten, die Marmorblöcke aufzuschichten, liefen flugs zum Seiteneingang, um die Männer hereinzulassen, während andere mit Hilfe der Männer, die vom Hafen gekommen waren, die Marmorblöcke, die sie mit soviel Mühe aufgestapelt hatten, wieder abtrugen.
Bald war die Mauer wieder verschwunden, und durch die Toröffnung wankte der alte Umslopogaas, gefolgt von der Schar von Rettern, herein. Er bot einen fürchterlichen und zugleich doch so erhabenen Anblick. Sein Körper war von Wunden übersät; ein kurzer Blick in seine flackernden Augen verriet mir, daß er starb. Der ›Keshla‹-Gummiring auf seinem Kopf war von Schwerthieben in zwei Stücke zerschlagen; eines davon hing direkt über dem seltsamen Loch in seinem Schädel. Sein Gesicht war über und über mit Blut besudelt, das aus zahlreichen Schnittwunden und klaffenden Spalten auf seinem Kopf quoll. Auf der rechten Seite seines Halses war eine tiefe Stichwunde von einem Speer; es war die, die Agon ihm beigebracht hatte. Auf seinem linken Arm, direkt
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