Allan Quatermain
armes Kind!« Er seufzte.
»Wo ist Curtis?«
»Er ist bei Nylephta. Sie ritt heute hinaus, um uns zu begrüßen. Das gab vielleicht ein Hallo, kann ich dir sagen. Er wird dich morgen besuchen kommen; die Ärzte (es gab in Zu-Vendis eine medizinische ›Fakultät‹ wie anderswo auch) hielten es für ratsam, daß er dich heute noch nicht besuchen sollte.«
Ich schwieg dazu; doch im stillen dachte ich mir, daß er – Ärzte hin, Ärzte her – wenigstens einen kurzen Blick hätte hereinwerfen können; aber so ist es nun einmal: wenn ein Mann frisch verheiratet ist und gerade einen großen Sieg errungen hat, dann neigt er eben sehr dazu, auf den Rat von Ärzten zu hören.
Im selben Moment vernahm ich eine wohlbekannte Stimme, die mich darüber aufklärte, daß ›Monsieur sisch 'inlegen muß‹. Ich schaute auf und sah Alphonses riesige schwarze Bartspitzen, die sich irgendwo in der Ferne kräuselten.
»So sind Sie also auch wieder hier?« fragte ich.
»Mais oui Monsieur; der Krieg ist nun beendet, meine militärischen Gelüste sind befriedigt, und isch kehre zurück, um Monsieur zu pflegen.«
Ich lächelte, oder besser, versuchte zu lächeln; aber eines muß ich sagen: Was auch immer seine Mängel als Krieger gewesen sein mögen (und ich befürchte, daß er in diesem Punkt seinem heroischen Großvater wohl kaum das Wasser reichen konnte, was wieder einmal ein trefflicher Beweis für die Richtigkeit der alten Weisheit ist, die da besagt, daß es nicht gut sei, im Schatten eines großen Vorfahren stehen zu müssen), einen besseren und freundlicheren Krankenpfleger als ihn kann ich mir nacht vorstellen. Der arme Alphonse! Hoffentlich behält er mich immer in so lieber Erinnerung wie ich ihn.
Am folgenden Tage sah ich Curtis, begleitet von Nylephta. Er erzählte mir alles, was sich ereignet hatte, seit Umslopogaas und ich so wild vom Schlachtfeld davongesprengt waren, um das Leben der Königin zu retten. Es schien mir, daß er die Sache gut hingekriegt hatte und daß er in hervorragender Manier seine Fähigkeiten als General unter Beweis gestellt hatte. Natürlich hatten auch wir gewaltige Verluste hinnehmen müssen – in der Tat, ich scheue mich zu sagen, wie viele Opfer die fürchterliche Schlacht, die ich beschrieben habe, forderte, aber ich weiß, daß das Gemetzel die männliche Bevölkerung des Landes beträchtlich dezimiert hatte. Er freute sich sehr, mich zu sehen, die gute Seele, und mit Tränen in den Augen dankte er mir für das Wenige, das ich zum Sieg hatte beisteuern können. Ich merkte jedoch, wie er heftig erschrak, als sein Blick auf mein Gesicht fiel.
Und Nylephta – nun, sie strahlte vor Glück, nun da ihr ›geliebter Gemahl‹ heil aus der Schlacht zurückgekehrt war, mit lediglich einer kleinen Schramme auf der Stirn. Ich glaube, daß für sie diese Tatsache alles andere aufwog. Daß selbst all das grausame, schlimme Gemetzel nicht so schwer wog, um ihr Glück über die gesunde Heimkehr ihres Geliebten zu trüben. Und ich kann es ihr nicht einmal verargen; es liegt nun einmal in der Natur einer liebenden Frau, alles durch die Brille ihrer Liebe zu betrachten, und was zählt in einem solchen Moment schon das Elend der vielen, wenn nur für das Glück des einen gesorgt ist. So ist die menschliche Natur, von der die Positivisten sagen, sie sei lediglich Vollkommenheit; also hat dies zweifellos alles seine Richtigkeit.
»Und was hast du vor, mit Sorais zu machen?« fragte ich sie.
Sofort verdüsterte sich ihr Gesicht.
»Sorais!« rief sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Ah, Sorais!«
Sir Henry beeilte sich, das Gespräch wieder auf ein anderes Thema zu bringen.
»Du wirst bald wieder auf den Beinen sein, alter Knabe, und nach einer Weile bist du wieder ganz der Alte.«
Ich schüttelte den Kopf und lachte.
»Täuscht euch nur nicht«, erwiderte ich. »Vielleicht komme ich noch einmal ein bißchen auf die Beine, aber der Alte, nein, der werde ich niemals mehr sein. Ich bin ein todgeweihter Mann, Curtis. Vielleicht dauert es noch eine Weile, bis es soweit ist, aber sterben muß ich auf jeden Fall. Weißt du, daß ich schon den ganzen Morgen Blut spucke? Ich sage dir, da bohrt sich ganz langsam etwas in meine Lunge; ich spüre es ganz deutlich. Aber nicht doch; mach nicht so ein betrübtes Gesicht; meine Uhr ist abgelaufen, und ich bin bereit, abzutreten. Reich mir bitte den Spiegel, sei so freundlich. Ich möchte sehen, wie ich ausschaue.«
Er machte irgendwelche Ausflüchte, aber ich
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