Allan Quatermain
Eingang des Kraals gegen den voraussichtlichen Ansturm der Ausbrechenden zu verteidigen. Dazu waren natürlich Gewehre ungeeignet. Also machten Sir Henry und der Askari sich daran, sich auf die gleiche Weise wie der Zulu zu bewaffnen. Zufällig verfügte Mr. Mackenzie in seinem kleinen Lagerhaus über eine Auswahl von Axteisen mit Hammerrücken aus bestem englischen Stahl. Sir Henry suchte sich eines davon aus; es wog etwa zweieinhalb Pfund und hatte eine sehr breite Schneide. Der Askari wählte ein etwas kleineres. Nachdem Umslopogaas die beiden Axteisen mit einer zusätzlichen Schneide versehen hatte, befestigten wir sie an dreieinhalb Fuß lange Stiele, von denen Mr. Mackenzie glücklicherweise noch ein paar auf Vorrat hatte. Sie waren aus einem leichten, aber außergewöhnlich harten, bruchsicheren Holz eines einheimischen Baumes. Es ähnelt dem Holz der englischen Esche, ist jedoch elastischer. Nachdem wir zwei passende Stiele mit großer Sorgfalt ausgewählt hatten und ihre Enden mit Kerben versehen hatten, um ein Abgleiten der Hand zu verhindern, steckten wir die Axteisen so fest wie eben möglich auf das andere Ende der Stiele und tauchten die Waffen eine halbe Stunde lang in einen Eimer Wasser, damit das Holz aufquoll und sich so stark in dem Steckloch des Eisens ausdehnte, daß höchstens das Verbrennen des Stieles das Eisen wieder freigegeben hätte. Nachdem Umslopogaas diese wichtige Prozedur eigenhändig durchgeführt hatte, begab ich mich in mein Zimmer und öffnete eine kleine, metallbeschlagene Holzkiste, die ich seit unserer Abfahrt aus England noch nicht aufgemacht hatte. Sie enthielt – nun, was glaubt Ihr wohl? – nicht mehr und nicht weniger als vier Panzerhemden.
Auf einer früheren Reise, die wir drei in einen anderen Teil Afrikas gemacht hatten, verdankten wir einmal unser Leben Panzerhemden, die die Eingeborenen hergestellt hatten. Und da ich mich daran noch erinnern konnte, hatte ich, bevor wir uns auf unsere jetzige abenteuerliche Expedition begeben hatten, angeregt, daß wir uns wieder passende Hemden aus Eisengewebe anfertigen lassen sollten. Das war gar nicht so einfach, denn die Kunst des Herstellens von Rüstungen ist derweil ausgestorben. Aber wenn man den Handwerkern in Birmingham nur lange genug auf die Nerven fällt und auch anständig bezahlt, dann sind sie auch fähig, aus Stahl so ziemlich alles zu machen. Schließlich befanden wir uns jedenfalls in dem Besitz der herrlichsten Panzerhemden aus Stahl, die man sich vorstellen kann. Es waren Meisterstücke handwerklichen Könnens. Das Gewebe war zusammengesetzt aus Tausenden und Abertausenden winziger, aber fester Ringe aus bestem Stahl. Diese Hemden (eigentlich waren es eine Art Jerseys mit stählernen Ärmeln) waren mit luftdurchlässigem Waschleder gefüttert; sie hatten nicht den typisch metallischen Glanz von Stahl, sondern die bräunliche Farbe eines Gewehrlaufes. Meines wog genau sieben Pfund; es schmiegte sich so sanft an den Körper an, daß ich das Gefühl hatte, es tagelang wie eine zweite Haut tragen zu können, ohne mich daran wundzuscheuern. Sir Henry besaß gleich zwei; ein normales – nämlich einen Jersey mit herunterhängenden Klappen, die auch der oberen Partie der Oberschenkel noch einen gewissen Schutz boten – und dazu ein zweites, das er selbst entworfen hatte. Es war nach dem Muster der Kleider geschnitten, die man als Hemdhosen oder »Kombination« feilbietet, und wog zwölf Pfund. Diese kombinierte Hemdhose, deren Gesäßteil aus Waschleder bestand, schützte zwar den gesamten Körper bis hinunter zu den Knien, aber es war doch ein wenig hinderlich, weil man es längs des Rückens schnüren mußte. Außerdem beeinträchtigte es mit seinen zwölf Pfund Gewicht doch ziemlich die Bewegungsfreiheit. Zu diesen Hemden gehörten noch Kopfbedeckungen, die wie aus vier Einzelteilen bestehende braunwollene Reisekappen aussahen. Dazu hatten sie noch Ohrenklappen. Diese Kappen waren ebenfalls mit Stahlgewebe überzogen, so daß sie einen ausgezeichneten Schutz für den Kopf darstellten.
Es mutet fast ein bißchen lächerlich an, wenn man heutzutage von Kettenhemden als einem Schutz spricht – heute, wo nicht mehr Pfeile durch die Luft fliegen, sondern Kugeln, gegen die diese Hemden natürlich völlig machtlos sind. Aber da, wo man es mit Wilden zu tun hat, die mit Äxten oder ähnlichen Waffen ausgerüstet sind, stellen diese Hemden in der Tat einen trefflichen Schutz dar. Und wenn sie gut gearbeitet sind und
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