Allan Quatermain
Stuhl saß seine arme Frau, das Gesicht in den Händen vergraben. Daneben stand Alphonse, überaus kummervoll dreinblickend, und hinter ihm standen wir drei. Im Hintergrund war Umslopogaas riesige Gestalt zu sehen, wie üblich auf den Stiel seiner Axt gestützt. Im Vordergrund, die Gesichter uns zugewandt, standen und hockten die wehrfähigen Männer – einige mit Gewehren in der Hand, andere mit Speeren und Schilden bewaffnet. Mit gespannter Aufmerksamkeit lauschten sie jedem Wort, das über die Lippen des Sprechers kam. Das weiße Licht des Mondes, das durch die Äste des großen Baumes fiel, tauchte die Szene in einen fremdartigen, wilden Glanz, und das melancholische Seufzen des Nachtwindes, der durch die Nadeln des Baumes über uns strich, verstärkte nur das Gefühl tiefer Traurigkeit, dessen die ohnehin tragische Situation auch so nicht entbehrte.
»Männer!« sprach Mr. Mackenzie, nachdem er alle Umstände des Falles klar und offen vor ihnen dargelegt und ihnen den Plan, der unsere letzte Hoffnung war, in allen Einzelheiten erklärt hatte – »Männer! Seit vielen Jahren bin ich wie ein guter Freund zu euch! Ich habe euch Schutz und Obdach geboten, ich bin euch Lehrer und Beschützer gewesen, ich habe euch und die euren vor Schaden bewahrt, und zusammen sind wir glücklich und wohlhabend geworden. Ihr selber habt verfolgen können, wie meine kleine Tochter – die Wasserrose, wie ihr sie nennt – aufwuchs, wie sie Jahr für Jahr größer wurde: vom zarten Säugling zum fröhlichen Kinde, und vom Kinde zum Mädchen. Sie war die Spielgefährtin eurer Kinder, und wenn ihr krank wart, so half sie euch gesundpflegen. Und darum habt ihr sie immer geliebt.«
»So war es und so ist es«, sagte eine tiefe Stimme. »Und wir werden unser Leben einsetzen, sie zu retten!«
»Ich danke euch von ganzem Herzen – ich danke euch. Ich bin von der tiefen Gewißheit erfüllt, daß ihr in dieser Stunde der Bedrängnis, da ihr Leben an einem seidenen Faden hängt, den wilde und grausame Menschen – die fürwahr ›nicht wissen, was sie tun‹ – abschneiden wollen, daß ihr in dieser Stunde höchster Not alles, was in euren Kräften steht, tun werdet, um sie zu retten, und um mich und ihre Mutter vor dem gebrochenen Herzen zu bewahren. Denkt auch an eure eigenen Frauen und Kinder. Wenn sie stirbt, wird nach ihrem Tode ein Angriff auf uns hier erfolgen, und im günstigsten Falle können wir unsere eigene Haut retten; aber eure Häuser und Gärten werden zerstört werden, und ihr werdet all eure Habe und euer Vieh verlieren. Ich bin, wie ihr wißt, ein Mann des Friedens. Niemals in all diesen vielen Jahren habe ich meine Hand gegen einen Menschen erhoben, um sein Blut zu vergießen. Doch nun sage ich euch: kämpft! Im Namen des Herrn, der uns hieß, unser Leben und unser Haus zu verteidigen, sage ich euch, kämpft! Schwört mir«, rief er mit doppelter Leidenschaft in der Stimme, »schwört mir, daß ihr bis zum letzten Mann, bis zum letzten Blutstropfen Seite an Seite mit mir und diesen tapferen weißen Männern euer Letztes geben werdet, um meine Tochter vor einem grausamen Tode zu bewahren!«
»Sprich nicht weiter, mein Vater«, sagte wieder die tiefe Stimme, die einem der Ältesten der Missionsstation gehörte, einem kräftigen, entschlossenen Mann; »wir schwören es. Wer diesen Eid bricht, soll wie ein räudiger Hund sterben, und seine Knochen sollen den Schakalen zum Fraß vorgeworfen werden! Es ist ein gewaltiges Wagnis, mein Vater, mit so wenigen so viele anzugreifen, aber wir werden es tun, auch wenn wir dabei untergehen. Wir schwören es!«
»Ja, wir schwören es«, stimmten die anderen ein.
»Ja, wir schwören es«, sagte ich.
»Es ist gut«, sagte Mr. Mackenzie. »Ihr seid brave Männer, auf die man in der Not bauen kann, und die sich nicht wie ein Schilfrohr dem Winde beugen. Und nun, liebe Freunde, laßt uns gemeinsam – Schwarze wie Weiße – niederknien und in Demut zu Seinem mächtigen Thron aufschauen. Lasset uns beten, daß Er, in dessen Hand unser aller Leben liegt, der Herr ist über Leben und Tod, uns armen Sündern gnädig sei, daß er uns stark mache, auf daß wir in der Schlacht, die uns im ersten Lichte des Morgens bevorsteht, mit seiner Hilfe obsiegen.«
Mit diesen Worten fiel er auf die Knie, und wir alle folgten seinem Beispiel, bis auf Umslopogaas, der noch immer im Hintergrund stand, grimmig auf seine Axt gelehnt. Der wilde alte Zulu hatte keine Götter, und es gab nichts, was er
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