Allan Quatermain
Gewehren ausgestatteten Gruppen gehörten, nur wenig bzw. überhaupt nicht mit dem Umgang von Schußwaffen vertraut waren, sich aber als außerordentlich geschickt mit dem Speer herausstellten, legten wir ihre Gewehre wieder fort, gaben ihnen Schilde und lange Speere von der Art, wie auch die Masai sie hatten, und teilten sie der Gruppe von Curtis, Umslopogaas und dem Askari zu, damit sie ihnen dabei helfen konnten, den großen Eingang zu halten. Es war uns nämlich inzwischen klar geworden, daß drei Männer, und waren sie noch so mutig und stark, für diese Aufgabe einfach zu wenig waren.
7
Ein gewaltiges und blutiges Gemetzel
Als alle Vorbereitungen getroffen waren, harrten wir noch eine Weile in der kalten, stummen Finsternis der Nacht aus und warteten auf den Augenblick des Aufbruchs. Diese endlos sich dahinschleppende Viertelstunde war vielleicht der Moment, der am meisten an den Nerven zerrte. Die Minuten quälten sich dahin wie auf bleiernen Füßen, und die tiefe, weihevolle Stille, die dräuendes Unheil zu verkünden schien, lastete schwer auf den Gemütern. Ich erinnere mich daran, wie ich einmal weit vor dem Morgengrauen aufstehen mußte, um der Hinrichtung eines Mannes beizuwohnen; damals durchlebte ich sehr ähnliche Gefühle. Der Unterschied lag jedoch darin, daß hier und jetzt meine Gefühle weit stärker aufgewühlt waren durch das Element des Persönlichen, Hautnahen, dem natürlich jemand, der selber von einer Sache betroffen ist, weit stärker unterliegt als ein noch so mitfühlender Beobachter. Die ernsten Gesichter der Männer, denen nur allzu bewußt war, daß die heranrückende Stunde für manch einen von ihnen, ja vielleicht sogar für alle, die letzte sein konnte – die letzte vor der langen Reise in das Unbekannte oder in die Vergessenheit; das gleichsam atemlose Flüstern, in dem sie miteinander sprachen; die Manier, in der Sir Henry unablässig und in Gedanken versunken seine Axt inspizierte; die Art, in der Good mit zittrigen Fingern immer wieder sein Monokel putzte; all dies sprach Bände darüber, wie sehr die Nerven aller Beteiligten bis zum Zerreißen gespannt waren. Allein Umslopogaas, der, wie gewöhnlich auf Inkosi-kaas gelehnt, dastand und ab und zu eine kleine Prise Schnupftabak nahm, schien von alledem nicht im geringsten berührt zu sein. Seinen eisernen Nerven konnte wirklich nichts auf der Welt etwas anhaben.
Der Mond sank immer weiter zum Horizont hinunter, bis er schließlich untergegangen war. Er ließ die Welt in totaler Dunkelheit zurück – bis auf einen ganz schwachen, grauen Streifen am östlichen Horizont, der blaß und matt die herannahende Morgendämmerung ankündigte.
Mr. Mackenzie blickte auf die Uhr, die er in der Hand hielt. Neben ihm, an seinen Arm geklammert, stand seine Frau. Nur mit großer Mühe konnte sie ihr Schluchzen unterdrücken.
»Zwanzig vor vier«, sagte der Missionar. »Um zwanzig nach vier wird es hell genug sein für einen Angriff. Captain Good sollte sich nun auf den Weg machen. Er muß einen Vorsprung von drei oder vier Minuten haben.«
Good putzte noch einmal sein Monokel, nickte uns scherzhaft zu – was ihn, wie ich glaube, eine enorme Überwindung kostete, nahm noch einmal – höflich wie er war – seine stahlüberzogene Mütze vor Mrs. Mackenzie ab und machte sich auf den Weg zu seinem Posten am hinteren Eingang des Kraals, den er nur auf einigen Umwegen über Schleichpfade erreichen konnte, die jedoch den Eingeborenen bekannt waren.
Kaum war er mit seinen Leuten in der Dunkelheit verschwunden, da tauchte einer der Späher auf und berichtete, daß dem Anschein nach nun alle in dem Masailager mit Ausnahme der beiden Wachtposten am vorderen und hinteren Eingang fest schliefen. Das war auch für uns das Zeichen zum Aufbruch. Als erster ging der Führer. Hinter ihm kamen Sir Henry, Umslopogaas, der Wakwafi Askari und die beiden Eingeborenen von Mr. Mackenzies Station, die mit Schilden und langen Speeren bewaffnet waren. Danach kam ich mit Alphonse und fünf Eingeborenen; wir waren alle mit Gewehren ausgerüstet. Den Schluß bildete Mr. Mackenzie, gefolgt von den restlichen sechs Eingeborenen.
Der Viehkraal, in dem die Masai ihr Lager aufgeschlagen hatten, lag am Fuße des Hügels, auf dem das Haus stand. Das waren nach grober Schätzung achthundert Yards. Die ersten fünfhundert Yards davon legten wir möglichst geräuschlos, aber dennoch strammen Schrittes zurück. Danach durften wir uns nur noch kriechend
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