Allan Quatermain
verehrte, es sei denn, seine Streitaxt Inkosi-kaas.
»O Gott aller Götter«, begann der Geistliche, und seine tiefe Stimme, die vor Bewegung zitterte, hallte durch die Stille und brach sich trotz der Zweige an dem grünen Dach des Baumes, das sich hoch über uns wölbte; »Beschützer der Elenden und Geknechteten, Zuflucht der Bedrohten, Bewahrer der Hilflosen, erhöre unser Flehen! Allmächtiger Vater, zu dir kommen wir in Bescheidenheit und Demut. Erhöre unser Gebet! Ein einziges Kind gabst du uns – ein unschuldiges Kind, erzogen im Glauben an Dich –, und nun schwebt über ihm der drohende Schatten des Todesschwertes, und es ist in der Hand wilder Menschen, in der Erwartung eines furchtbaren Todes. Stehe ihm bei, o Gott, und gib ihm in dieser Stunde deinen Trost. Errette es, o himmlischer Vater! O du Gott der Schlacht, in dessen Hände das Schicksal aller Menschen liegt, sei mit uns in der Stunde des Haders. Wenn wir in den Schatten des Todes treten, mache uns stark. Lasse deinen göttlichen Atem in die Reihen unseres Feindes fahren, auf daß er in alle Winde verstreut werde. Verwandle seinen Stolz in Nichts und seine Kraft in Wasser. Gib uns deinen Schutz und führe uns sicher durch die Schlacht. Wirf über uns den Schild deiner unendlichen Macht. Vergiß uns nicht in der Stunde unserer höchsten Not. Hilf uns zu verhindern, daß der Grausame unsere Kinder vor die Felsen schmettert. Erhöre unser Flehen! Und für die von uns, die jetzt noch stark und gesund vor dir auf der Erde knien und vielleicht bei Sonnenaufgang schon vor deinem Thron stehen, erhöre unser Gebet! Mache sie rein, o Herr! Befreie sie von ihren Sünden gegen das Blut des Lammes! Und wenn ihr Geist sie verläßt, so empfange ihn im Himmel der Gerechten! Schreite voran, o Herr, schreite voran, wenn wir uns in die Schlacht stürzen, so wie du es beim Volke Israel getan hast. O Gott des Kampfes, erhöre unser Flehen!«
Er hielt inne, und nach einem Augenblick des Schweigens erhoben wir uns. Wir mußten nun mit aller Sorgfalt unsere Vorbereitungen treffen. Es war jetzt – wie Umslopogaas treffend bemerkte – an der Zeit, mit dem ›Schwätzen‹ aufzuhören und zu handeln. Die Männer, die die einzelnen Gruppen bilden sollten, wurden sorgfältig ausgesucht und mit noch größerer Sorgfalt und Akribie auf ihre Aufgaben vorbereitet. Sie erhielten präzise Instruktionen, was sie in welchem Moment zu tun hatten. Nach langer Überlegung kamen wir zu der Überzeugung, daß die zehn Männer, die von Good angeführt werden sollten, und die die Aufgabe hatten, das Lager zu stürmen, nicht mit Feuerwaffen ausgerüstet werden sollten; das heißt, mit Ausnahme von Good, der sowohl einen Revolver als auch ein kurzes Schwert hatte – das Masaischwert, das ich aus dem Körper des armen Kerls, der in dem Kanu ermordet worden war, herausgezogen hatte. Wir befürchteten nämlich, daß, wenn sie Feuerwaffen trügen und die Masai von drei Seiten zugleich unter Kreuzfeuer genommen würden, auch ein paar von unseren eigenen Leuten getroffen werden könnten. Außerdem schien es uns allen, daß die Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten, am besten mit dem kalten Stahl erledigt werden konnte – besonders trat natürlich Umslopogaas dafür ein, der, wie man sich leicht denken kann, ein leidenschaftlicher Verfechter des kalten Stahls war.
Wir verfügten über vier Winchester-Repetiergewehre sowie ein halbes Dutzend Martinis. Ich selbst nahm eines der Repetiergewehre – mein eigenes; eine ausgezeichnete Waffe für diesen Zweck, wo es auf möglichst schnelles Feuern ankam. Anstelle des schwerfälligen Mechanismus, mit dem sie im allgemeinen ausgerüstet sind, hatte es ordentliche Klappenvisiere. Mr. Mackenzie nahm ebenfalls eins, und die restlichen beiden gingen an zwei von seinen Männern, die sie bedienen konnten und als gute Schützen bekannt waren. Die Martinis und ein paar andere Gewehre aus dem Besitz von Mr. Mackenzie wurden zusammen mit einem ausreichenden Vorrat an Munition an die übrigen Eingeborenen verteilt, die die beiden Gruppen bilden sollten, deren Aufgabe es war, das Feuer von beiden Seiten des Kraals auf die schlafenden Masai zu eröffnen. Zum Glück waren mehr oder weniger alle ausreichend mit der Bedienung eines Gewehres vertraut.
Was Umslopogaas anbetrifft; er war – wie wir wissen – mit seiner Axt bewaffnet. Um es hier noch einmal in Erinnerung zu rufen: Er, Sir Henry und der stärkste der Askari hatten die Aufgabe, den dornenbewehrten
Weitere Kostenlose Bücher