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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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immerhin; einen Anhaltspunkt zumindest gab es, und als ich mir das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen ließ, gelangte ich immer mehr zu der Überzeugung, daß an diesem Gerücht irgend etwas Wahres sein mußte. Und je mehr ich dessen gewiß wurde, desto fester war ich entschlossen, dieses Geheimnis zu lüften. Wenn ich geahnt hätte, auf welch wundersame Weise mein Wunsch bald in Erfüllung gehen sollte!
    Nun, jedenfalls pirschten wir uns langsam an die Schwäne heran, die, während sie fraßen, immer näher an die Felswand herantrieben. Schließlich, als wir nur noch vierzig Yards von ihnen entfernt waren, lenkten wir das Kanu hinter einem Haufen Treibgut in Deckung. Sir Henry hielt das Schrotgewehr im Anschlag und wartete auf eine günstige Schußposition. Schließlich hatte er gleich zwei auf einmal im Schußfeld; er hielt auf ihre Hälse und traf beide mit einem Schuß. Sofort erhob sich der Rest – es waren mehr als dreißig – unter lautem Geplatsche und Flügelschlagen aus dem Wasser. Sofort schickte Sir Henry die Ladung aus dem zweiten Lauf hinterher. Ein Bursche trudelte mit gebrochenem Flügel herunter, und bei einem anderen sah ich, wie er kurz zusammenzuckte, und wie sich ein paar Rückenfedern lösten und herabsegelten; aber er flog mit kräftigem Flügelschlag weiter. Höher und höher stiegen die Schwäne, immer im Kreis, bis sie nur noch als Punkte, etwa auf gleicher Höhe mit dem oberen Rand der finsteren Felswand, zu erkennen waren; dann bildeten sie einen Schwarm in Form eines Dreiecks und verschwanden nach Nordwesten, in das unbekannte Gebiet. Mittlerweile hatten wir die beiden toten Schwäne aufgelesen – es waren prächtige Tiere; jedes von ihnen wog sicherlich mehr als dreißig Pfund – und die Verfolgung des dritten, der am Flügel verletzt war, aufgenommen. Er krabbelte über einen Berg von Treibgut und ließ sich in das freie Wasser dahinter plumpsen. Da es relativ schwierig war, sich mit dem Kanu einen Weg durch das treibende Geäst zu bahnen, das uns mittlerweile wie ein Ring umschloß, befahl ich unserem einzigen übriggebliebenen Wakwafi, ins Wasser zu springen, unter dem Treibgut hinwegzutauchen und den Schwan zu fangen. Er war, wie sich schon einige Male gezeigt hatte, ein ausgezeichneter Schwimmer, und da sich in dem See keine Krokodile befanden, wußte ich, daß ihm nichts geschehen konnte. Der Mann, dem die Sache augenscheinlich selbst Spaß zu machen schien, zögerte nicht lange, und bald glitt er mit kräftigen Zügen hinter dem angeschossenen Schwan her. Dabei näherte er sich immer mehr der Felswand, an die nun schon die Wellen schlugen, die er beim Schwimmen verursachte.
    Urplötzlich jedoch ließ er von der Verfolgung des Vogels ab und schrie laut zu uns herüber, etwas zöge ihn unwiderstehlich fort. Und tatsächlich – obwohl er versuchte, mit aller Kraft zum Kanu zurückzuschwimmen, sahen wir, daß er ganz langsam auf die Felswand zutrieb. Mit ein paar verzweifelten Paddelschlägen zwangen wir das Kanu durch den Wall aus Treibgut und ruderten mit aller Kraft auf den Mann zu. Jedoch – so schnell wir auch vorwärtskamen – er wurde immer schneller auf die Felswand zugetrieben. Auf einmal sah ich vor uns in der Felswand eine Öffnung; sie verlief bogenförmig etwa achtzehn Zoll über dem Wasserspiegel und sah aus wie die obere Rundung eines überschwemmten Kellergewölbes oder Eisenbahntunnels. Aus der Wasserlinie, die deutlich auf dem Felsen zu erkennen war, und die mehrere Fuß oberhalb der äußersten Krümmung der Öffnung verlief, war einwandfrei ersichtlich, daß die Öffnung normalerweise unter der Wasseroberfläche liegen mußte; aber es hatte eine lange Trockenheit geherrscht, und bedingt durch die außergewöhnliche Kälte, war von den Bergen nicht soviel Schmelzwasser wie gewöhnlich in den See geflossen, so daß der Wasserstand sehr niedrig; war und die Wölbung an der Oberfläche des Sees hervortrat. Diese Öffnung saugte nun unseren armen Diener mit beängstigender Geschwindigkeit an. Er war nunmehr höchstens noch zehn Klafter von ihr entfernt; wir etwa zwanzig. Ohne daß wir noch stark zu rudern brauchten, schoß das Kanu nun blitzschnell hinter ihm her.
    Er wehrte sich tapfer gegen die Strömung, und ich dachte schon, wir hätten es geschafft, als ich plötzlich einen Ausdruck panischen Entsetzens auf sein Gesicht treten sah. Und vor unseren Augen wurde er in den grausamen, wirbelnden Schlund hinabgezogen und war in Sekundenschnelle verschwunden.

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