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Allan Quatermain

Allan Quatermain

Titel: Allan Quatermain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Rider Haggard
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Im selben Moment hatte ich das Gefühl, als hätte eine mächtige Faust unser Kanu gepackt; und schon riß uns eine unwiderstehliche Kraft auf die Wand zu.
    Augenblicklich erkannten wir die Gefahr, in der wir schwebten, und ruderten, oder besser gesagt, paddelten, was das Zeug hielt, um wieder aus dem Sog herauszukommen. Vergeblich! Im nächsten Moment flogen wir schon wie ein Pfeil geradewegs auf die Öffnung zu, und ich glaubte, nun wäre das Ende gekommen. Zum Glück war ich noch geistesgegenwärtig genug, laut zu schreien: »Runter mit euch – runter!« Ich warf mich auf den Boden des Kanus. Die anderen reagierten blitzschnell und folgten meinem Beispiel. Im gleichen Augenblick ertönte ein Knirschen, und das Boot wurde so tief heruntergedrückt, daß Wasser über den Rand ins Innere schwappte. Nun glaubte ich endgültig, wir seien verloren.
    Doch dann hörte ganz plötzlich das Knirschen wieder auf, und ich fühlte, daß das Kanu wieder ungehindert dahinschoß. Ich drehte meinen Kopf ein wenig – ihn zu heben wagte ich nicht – und blickte nach oben. In dem schwachen Licht, das noch immer von der Öffnung her zu uns drang, erkannte ich dicht über unseren Köpfen die Wölbung eines Felsentunnels. Das war alles, was ich sehen konnte. Eine Minute später konnte ich nicht einmal diese mehr erkennen; denn das schwach hereindringende Licht war inzwischen von völliger Finsternis verschluckt worden.
    Eine Stunde – vielleicht länger – hatten wir nun schon auf diese Weise liegend im Boot verbracht. Wir wagten nicht, die Köpfe zu heben, aus Angst, sie würden gegen die Felsen schmettern. Wir waren kaum in der Lage, uns zu verständigen, denn das mächtige Rauschen des dahinschießenden Wassers erstickte unsere Stimmen. Uns war überdies auch nicht sehr nach reden zumute; die Aussichtslosigkeit unserer Lage und die lähmende Angst vor einem raschen Tod zogen uns völlig in den Bann. Wir konnten entweder ganz plötzlich gegen den Rand der Tunnelwölbung geschmettert werden, oder gegen einen Felsen, oder wir konnten hinabgezogen werden in die tosende Flut; vielleicht würde uns auch allmählicher Sauerstoffmangel ein qualvolles Ende bereiten. Diese und viele andere Todesarten geisterten durch meine Phantasie, während ich auf dem Boden des Kanus lag und bang dem Brausen des dahinschießenden Wassers lauschte, das uns mit sich ins Unbekannte fortriß. Es gab nur noch ein einziges anderes Geräusch, das ich vernehmen konnte: das Schreckensgeheul von Alphonse, das aus der Mitte des Kanus zu mir drang; aber selbst das schien unendlich fern und unwirklich. Das Ganze wurde in der Tat langsam zuviel für mein gemartertes Hirn, und ich glaubte allmählich, ich wäre das Opfer eines quälenden, bösen Alptraums.

10
     
    Die Feuerrose
     
     
    Weiter flogen wir dahin, fortgerissen von der mächtigen Strömung, bis ich nach einer Weile bemerkte, daß das Rauschen des Wassers nicht einmal mehr halb so ohrenbetäubend war wie am Anfang; daraus schloß ich, daß die Höhlung größer geworden war, so daß sich der Schall besser verlaufen konnte. Ich konnte Alphonses Gebrüll jetzt viel klarer und deutlicher hören; seine Schreie waren eine kaum zu beschreibende Mischung aus inbrünstigem Flehen an den Allerhöchsten und Beschwörungen seiner geliebten Annette; kurz, sie waren, obwohl ihre aufrichtige Ernsthaftigkeit sie davor bewahrte, bloße Flüche zu sein, höchst bemerkenswert – um es gelinde auszudrücken. Ich nahm ein Paddel und stupste ihm damit in die Rippengegend, was zur Folge hatte, daß er um so lauter brüllte, weil er nun glaubte, das Ende sei gekommen. Langsam und mit äußerster Vorsicht erhob ich mich auf die Knie und reckte einen Arm hoch, konnte jedoch keinen Fels über mir fühlen. Als nächstes nahm ich das Paddel und hob es so hoch über meinen Kopf, wie eben möglich; auch hier war das Resultat dasselbe. Dann schob ich es auf beiden Seiten über den Rand des Kanus, aber auch hier berührte ich nichts. Da fiel mir ein, daß sich in dem Boot unter anderem eine Blendlaterne und eine Büchse Öl befanden. Ich kramte eine Weile auf dem Boden herum, bis ich die Sachen gefunden hatte. Ich nahm ein Streichholz und zündete die Laterne vorsichtig an. Sobald sich der Docht entflammt hatte, leuchtete ich in das Boot. Wie es der Zufall wollte, war das erste, auf das der Lichtkegel fiel, das weiße, angstverzerrte Gesicht von Alphonse. Der glaubte, nun sei das Ende endgültig gekommen und er sehe schon die ersten

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