Allan Quatermain
mich. Neben meinem Bett standen die ›Veldtschoonen‹, die ich getragen hatte. Außer mir vor Wut beugte ich mich über den Bettrand und angelte nach ihnen. Als ich sie erwischt hatte, warf ich sie Good an den Kopf – und traf!
Bald schlief ich den Schlaf der Gerechten. Er war tief und fest. Ich weiß nicht, ob Good auch endlich schlief, oder ob er sich noch den Rest der Nacht damit um die Ohren schlug, indem er sich in seiner Vorstellung sämtliche Vorzüge Sorais' vor Augen führte. Ich muß gestehen, verehrter Leser, das war mir damals völlig egal.
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Über das Volk von Zu-Vendis
Und nun senkt sich der Vorhang für ein paar Stunden, und die Akteure dieses neuen Dramas sind für eine Weile in tiefen Schlummer versunken, ausgenommen vielleicht Nylephta, von der der Leser sich vielleicht, so er poetische Neigungen hat, vorstellen mag, wie sie, umgeben von eifrigen Kammerzofen, geschwätzigen Frauen, Leibwächtern und all den anderen Hofschranzen, die gemeinhin um einen Thron herumschwirren, in ihrem prunkvollen, königlichen Bette liegt und keinen Schlaf finden kann, da sie unablässig an jene Fremden denken muß, die da so plötzlich in ihrem Lande aufgetaucht sind, in dem noch nie zuvor solche Fremden gewesen waren, und wie sie sich, während sie so wachliegt, immer wieder die Frage stellt, wer diese Fremden wohl sind und welche Vergangenheit sie wohl haben, und ob sie, Königin Nylephta, wohl häßlich ist im Vergleich zu den Frauen jenes Landes, in dem diese Fremden geboren sind. Ich hingegen, der ich keine solchen poetischen Neigungen habe, will diese kurze Atempause, welche der Lauf der Ereignisse uns gewährt, dazu nutzen, einiges über dieses Volk, in dessen Mitte uns der Zufall geleitet hatte, zu berichten. Ich brauche wohl nicht besonders hervorzuheben, daß ich das, worüber ich jetzt berichten will, erst im weiteren Verlaufe unseres Aufenthalts erfahren sollte.
Um gleich an Anfang zu beginnen: der Name dieses Landes ist Zu-Vendis. Dieser Name ist entstanden aus Zu, ›gelb‹, und Vendis, was soviel bedeutet wie ›Land‹ oder ›Landschaft‹. Warum diese Gegend ›das gelbe Land‹ genannt wird, habe ich niemals genau herauskriegen können. Auch die Einwohner selbst haben nur vage Vermutungen über den Ursprung des Namens. Drei Vermutungen gibt es jedoch, die mir einigermaßen plausibel erscheinen: Die erste besagt, daß der Name seinen Ursprung darin hat, daß das Land über beträchtliche Goldvorkommen verfügt. Zu-Vendis ist in der Tat ein wahres Eldorado; überall kann man Gold finden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fördert man es in erster Linie aus den reichlich vorhandenen Schwemmablagerungen (von denen wir einige später zu Gesicht bekamen), welche eine Tagesreise von Milosis entfernt sind. Man findet das kostbare Metall dort in Klumpen, die häufig bis zu sieben Pfund schwer sind. Aber es existieren auch noch mehrere Erzgruben, die äußerst ertragreich sind. Darüber hinaus habe ich selbst an vielen Stellen des Landes dicke Adern goldhaltigen Quarzes gesehen, die man abzubauen gar nicht der Mühe wert befunden hatte. In Zu-Vendis kommt Gold weitaus häufiger vor als Silber. Dadurch ist es zu der uns recht seltsam anmutenden Situation gekommen, daß Silber und nicht Gold das Zahlungsmittel des Landes darstellt.
Die zweite, durchaus in Betracht zu ziehende Erklärungsmöglichkeit für den Ursprung des Namens ist die, daß das im übrigen äußerst saftige und üppig wachsende Gras des Landes zu bestimmten Jahreszeiten die goldgelbe Farbe reifen Korns annimmt. Die dritte gründet sich auf eine Tradition, welche besagt, daß die Bevölkerung ursprünglich gelbe Hautfarbe hatte, die jedoch allmählich weiß wurde, nachdem sie über viele Generationen hinweg im Hochland gelebt hatte.
Zu-Vendis hat ungefähr die Größe Frankreichs und ist, grob betrachtet, von ovaler Form. Von den umliegenden Gebieten ist es ringsum durch eine natürliche Grenze riesiger undurchdringlicher Dornenwälder abgeschnitten. Jenseits dieser Wälder sollen sich noch einmal über Hunderte von Meilen hinweg gewaltige Landstriche mit Sümpfen, Wüsten und Gebirgen erstrecken. Das Land liegt sozusagen auf einer riesigen, tafelförmigen Hochebene, die sich etwa im Zentrum des schwarzen Kontinents erhebt, und die vergleichbar ist mit den Tafelbergen des südlichen Afrikas, die aus dem umliegenden Steppenland herausragen. Milosis selbst liegt nach den Angaben meines Aneroidbarometers etwa neuntausend Fuß
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