Allan Quatermain
über dem Meeresspiegel. Der größte Teil des Landes liegt jedoch noch höher; die größte Erhebung des Landes ist etwa in elftausend Fuß über dem Meeresspiegel gelegen. Das Klima ist folglich vergleichsweise kühl; es ähnelt sehr dem Klima Südenglands, nur ist es heller und weniger regnerisch. Das Land ist ungeheuer fruchtbar; alle Getreidearten und Früchte und Bäume gemäßigter Klimazonen gedeihen hier prächtig. In den niedriger gelegenen Regionen wächst sogar eine kräftige, gegen kühle Temperaturen unempfindliche Gattung des Zuckerrohrs. An Bodenschätzen verfügt das Land außer dem Gold noch über Kohle, die teilweise sogar im Tagebau gewonnen werden kann, sowie über reinen Marmor, schwarzen wie weißen. Das gleiche gilt, mit Ausnahme von Silber, für fast alle anderen Metalle. Silber kommt, wie bereits erwähnt, nur in sehr geringen Mengen vor, und zwar in den Bergen des Nordens, wo es unter erheblichen Mühen gefördert wird.
Zu-Vendis verfügt in seinen Grenzen über eine Vielzahl verschiedener Landschaften, darunter zwei Ketten schneebedeckter Gebirge, von denen sich die eine an der Westgrenze jenseits des undurchdringlichen Dornenwaldgürtels befindet und die andere das Land von Norden nach Süden durchzieht. Sie ist nur etwa achtzig Meilen von der Hauptstadt entfernt, und von der Stadt aus kann man ihre höchsten Erhebungen deutlich erkennen. Diese Gebirgskette bildet die Hauptwasserscheide des Landes. Außerdem gibt es drei große Seen – der größte davon, nämlich der, auf dem wir auftauchten, heißt nach der Stadt ebenfalls Milosis und bedeckt eine Fläche von ungefähr zweihundert Quadratmeilen – und darüber hinaus zahlreiche kleinere, von denen einige salzig sind.
Die Bevölkerungsdichte dieses vom Klima so begünstigten Landes ist vergleichsweise hoch; das Land zählt grob geschätzt etwas zehn bis zwölf Millionen Einwohner. Es ist fast ausschließlich Agrarland, und die Bevölkerung zerfällt wie überall in mehrere Klassen. Da ist einmal der Landadel, dann eine beträchtliche Mittelschicht, die sich in erster Linie aus Kaufleuten, Armeeoffizieren etc. zusammensetzt, und schließlich die Mehrheit der Bevölkerung, hauptsächlich wohlhabende Bauern, die in Lehnspacht die Güter der Landedelmänner bewirtschaften. Die Bevölkerung besteht, wie ich schon erwähnte, ausschließlich aus Weißen; einige davon wirken vom Typ her durchaus mitteleuropäisch, wohingegen die Masse der Bevölkerung einen mehr südländischen Einschlag hat, jedoch keinerlei negroide oder sonstwie geartete afrikanische Charakteristiken aufweist. Über ihren Ursprung kann ich keine eindeutige Information geben. Aus ihren schriftlichen Überlieferungen, die teilweise bis ins neunte Jahrhundert zurückdatieren, geht nichts über ihre Abstammung hervor. Einer ihrer frühesten Chronisten spricht zwar im Zusammenhang mit einer uralten Tradition, die zu seiner Zeit existiert haben muß, davon, daß sie ›wahrscheinlich mit den Leuten von der Küste heraufgekommen sind‹, aber das kann alles mögliche bedeuten. Kurz, der Ursprung der Zu-Vendi liegt im Dunkel der Vergangenheit. Woher sie stammen oder welcher Rasse sie sind, weiß keiner. Ihre Architektur und einige ihrer Skulpturen deuten auf ägyptischen oder vielleicht auch assyrischen Einfluß hin; aber es ist historisch klar und deutlich zurückzuverfolgen, daß ihr gegenwärtiger bemerkenswerter Baustil erst innerhalb der vergangenen achthundert Jahre entstanden ist. Außerdem lassen sich keinerlei Spuren ägyptischer Theologie oder Bräuche feststellen. Eher würde man sie aufgrund ihrer äußeren Erscheinung und einiger ihrer Bräuche für jüdische Abkömmlinge halten; aber es ist kaum denkbar, daß sie dann alle Einflüsse der jüdischen Religion so völlig abgelegt hätten.
Vielleicht sind sie eines jener zehn verloren geglaubter Völker, nach deren Spuren man heute auf der ganzen Welt so eifrig forscht. Ich weiß es nicht, und daher muß ich mich darauf beschränken, sie so zu schildern, wie ich sie angetroffen habe, und es weiseren Köpfen als dem meinigen überlassen, sich darüber Gedanken zu machen – wenn sie tatsächlich einmal diesen Bericht in die Hände bekommen sollten, was ich jedoch für höchst unwahrscheinlich halte.
Und nachdem ich dies nun alles niedergeschrieben habe, werde ich schließlich doch noch meine eigene, wiewohl sehr laienhafte und spekulative Theorie über den Ursprung der Zu-Vendi zum Besten geben. Diese Theorie gründet
Weitere Kostenlose Bücher