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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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übervollversammeltes Geschirr.
    »Gib Laut« wäre sicher gescheitert, aber auf »Willst du Apfelkuchen« antwortete er » aa-uuh «. Simple Gemüter fanden es zum Kugeln, für feinere Ohren klang es tragisch unerlöst, aber er selbst war heiter gestimmt. Überhaupt redete er lang und gern; mit seinen Steinen in allen Tonlagen, als spielte er mehrere Rollen wie ein Kind mit Puppen.
    Das alte Erdbebenspiel liebte auch er; reglos, bis sich die Erde » öfffnete «, bis er die Stadt verschlucken durfte. Aber sein besonderes Fest war das Suchspiel. Anfänglich mußte er vor der Tür warten, während wir ein Biskuit versteckten, später saß er da und jemand hielt ihm die pelzgepolsterten Augen zu, noch später saß er abgewandt allein in einer Ecke (da ging also auch »Bleib«), bis wir » Fingal such, such!« riefen. Wir hatten bald heraus, daß er horchte und deshalb sofort dorthin lief, wo der Versteckende zuletzt gewesen war. Daher führten wir ihn nas , indem wir in dem großen Zimmer noch herumschlenderten, obwohl das Biskuit längst versteckt war. Nun ging er anders vor. Er sprang auf, blieb aber schnuppernd stehen, um festzustellen, in welcher Höhe er zu suchen hatte; die Luft schien für ihn deutliche Tortenlagen, Gesteinsschichten zu haben. Dann war es ein Leichtes, den ganzen Boden abzusuchen, aha, hinter den untersten Büchern, oder die ganze Mittelschicht, Oberschicht. Ei so klug, so tüchtig, so brav — Freude war das Lebenselixier.

    Und auch die Unarten blühten. Bei jeder fragten wir uns zu spät, nachdem sie schon fixiert war, ob man sie hätte verhindern können.
    Falls die Neigung zum Streunen von vornherein in ihm lag, so hatte ich ihr zweifellos nicht entgegengewirkt, sondern sie ahnungslos gefördert, vielleicht sogar verursacht. Im ersten Frühling, als wir seinen etwas chaotischen Charakter noch nicht erfaßten , pflegte ich mein Fenster im Erdgeschoß offen zu lassen, so daß er aus und ein springen konnte, tagsüber oder nachts. Ich fand es schön für ihn, nach Belieben draußen zu wandeln, in der Sonne zu liegen oder unter meinen Schreibtisch zurückzukehren — Freiheit über alles. Zudem hielt ich es für eine Sicherung gegen mögliche Kampflust; ich wußte, daß nur sehr wenige, entartete Hunde ohne menschliche Rückendeckung raufen. Als wir bemerkten, daß er außer Sehweite zu verschwinden und länger wegzubleiben begann, war es schon eine unheilbare Sucht geworden.
    Seinen Nebenmeistern entwischte er am helllichten Tag, mir nur im Dunkeln, schlimm genug. Eine Wegbiegung, um die man vorausging oder er voraustrottete — plötzlich kein Hund mehr da, nie einer dagewesen. Mit Glück fand man ihn geduckt lauernd in einem Garten, hinter einer Scheune, und auf Anruf fuhren die bösen Geister aus, er kam beschämt mit. In unübersichtlichen Gegenden aber wartete er nirgends in der Nähe, sondern suchte beschleunigt das Weite.
    Auf dem Land ging das noch an, er kam ja immer wohlbehalten wieder, am raschesten, wenn es regnete oder schneite. Von Zeit zu Zeit riefen wir vor der Haustür, und schließlich zeigte er sich. Nun begann das Ritual: auf Bitten, Locken, strenges Rufen tanzte er rückwärts, und wenn man sich näherte, floh er; man mußte mit einem weißen Tuch erscheinen, dann erst war man vertrauenswürdig. Einen Zuschauer hätte diese Parlamentärsitte verwundert, uns schon längst nicht mehr, das weiße Tuch lag griffbereit. Es bedeutete auch bei trockenem Wetter liebevolle Fürsorge; wir hatten Fingal einen Pawlowschen Reflex anerzogen, oder er uns.
    In der Stadt warteten wir sorgenvoller. Der Verkehr, die Polizei — alle Augenblicke vom zweiten Stock auf die Straße, in die Wohnung zurück, mit einem unangenehmen, unfertigen Gefühl den ganzen Abend. Irgendwann nachts heulte er dann weithin hallend, bis überall die Fenster geöffnet oder wütend geschlossen wurden und einer von uns unten anlangte. Man schlief nur mit einem Ohr, horchte bis drei Uhr, vier Uhr, wenn man gerade diese Nacht hatte nach- oder vorschlafen wollen.
    Nicht genug damit, er stahl notorisch. Ursprünglich hatte ihn wohl das Darben im Jugendalter dazu getrieben, später wurde es kriminelle Gewohnheit. Die Hausfrauen in unserem Bergdorf wagten kaum mehr, einen Pudding oder Ähnliches zum Abkühlen in den Schnee zu stellen: der sechste Sinn lenkte Fingal dorthin wie die Aasgeier, ach, sagen wir wie die Bienen. Einmal verzehrte er Mayonnaise für vierzig Personen; danach glänzte sein Fell zwei Wochen lang. Er

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