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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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König, war sehr schreckhaft. Plötzliche Geräusche, unerwartete Anblicke schlugen ihn in die Flucht. Vor anderen Hunden fürchtete er sich. Kam das von der ersten Kindheit im Zwinger? Sollte man besser nur Welpen kaufen, die mit ihrer Mutter im Haus leben? Aber Primus, der nie mit einer Wimper zuckte, war ja auch drei Monate isoliert aufgewachsen.
    Daß Fingal die Bahnhofsglocke besonders unheimlich fand, war zu verstehen: so hatte es geläutet, als er in der Kiste gefangen saß, an Stelle von Mutter und Geschwistern ein Brett vor dem Kopf. Überdies war es eine kleine Sekunde, musikalische Ohren mußte es schaudern. Ich schwor mir, nie mehr einen Hund schicken zu lassen, jeden künftigen von Hand zu holen, unter welchen Schwierigkeiten auch immer.
    Gegen Ängstlichkeit hilft Vertrauen; erst Vertrauen, dann Mut. Aber er sprang mir häufig aus dem Kontakt. Manchmal sah er mir in die Augen, häufiger überall sonst hin. Energische Aufforderungen bewirkten verstörtes Streiken. Zum Lachen, dieses Leben: ich war durch Erfahrung vorbereitet, Fingal besser zu bändigen als Primus, aber bei Fingal gab es nichts zu bändigen; alles mußte demonstrative Liebe, geduldige Ermunterung, spielerisches Herauslocken sein. Gerade das hatte Primus mir nicht beigebracht. Schön, nächste Lektion. Wenn ich sie kann, wird wahrscheinlich wieder niemand mich abfragen.

    Sitz, Platz, Pfote lernte er sofort. Stumme Befehle versuchte ich gar nicht erst; viel zu zerstreut. Apportieren unmöglich, es wäre sinnlos gewesen, ihn damit zu quälen. »Bleib« begriff er nicht, stand sofort auf, kam mit. Ich band ihn der Grundstufe gemäß an, kehrte zurück, lobte. Ohne Leine dasselbe wie zuvor: er wollte, mußte mir nachgehen. Ich gab es auf; Vorwürfe hätten ihn allgemein scheuer gemacht.
    Er kam ohnedies nicht bedingungslos zu mir. Glaubte er sich tadelnd gerufen (oft mit gutem Grund), so tanzte er scheinbar frech, im Grund verzweifelt, in sicherem Abstand herum. Locken zog ihn nur einen halben Meter näher. Besser wirkte die offene Handfläche; am besten die auf den Boden geworfene Leine und zwei offene Handflächen. Auch mit einem Holz oder Handschuh konnte man dieses Waffenwegwerfen symbolisieren. Dabei hatte ihn nie jemand geschlagen.
    Merkwürdig, daß ich zwölf- und dreizehnjährig mehr erreicht hatte als jetzt mit Fingal . Primus war immer gekommen, auch wenn er wußte, daß ich ihn beschimpfen wollte. Sein Ausdruck schien dann zu sagen: »Ich weiß ja, und ich komme ja, aber dann sei wieder gut .« Unwiderstehlich. Fingal flatterte, obwohl ich ihn vorsichtig behandelte.
    Plötzlich erklärte mir ein epileptischer Anfall seine seltsame Art. Als er wieder zu sich kam, hatte ich das Gefühl, daß wir von nun an doch zusammengehören würden. Von ihm aus, weil er mich nach irgendwelchen geträumten Schrecknissen vielleicht für seine Lebensretterin hielt — man weiß es nicht; von mir aus, weil ich neben ihm kniend dachte, wenn er krank ist, dann soll er bei uns geborgen sein. Mehr abbittend als gnadenreich: wir Menschen haben ihnen Überzüchtung aufgeladen, sein Vertrauen ist beschämend.

    Es konnte sich nur noch um Heilpädagogik handeln. Das »nur« hatte nur ausschließende Bedeutung, keine vermindernde; warum sollten kleine Fortschritte weniger wert sein als Glanzleistungen. Der einzige gültige Maßstab war doch, ob jemand — sei es Kind, Hund, ein anderer oder man selbst — sein Bestes entwickelte und einen Modus vivendi mit der Umwelt fand. In dieser Hinsicht konnte man Fingal vielleicht sogar weiter bringen als Primus, der zwar hochbegabt und charakterstark war, aber mit der Umwelt auf vier Kriegsfüßen lebte. Bewertungen lösten sich auf, Vergleiche hatten nur einen Sinn, wenn man sie wie ein Botaniker oder Mediziner benützte.
    Nach einem ergebnislosen Besuch beim Tierarzt machten wir uns an das Auskundschaften der Mittelpfade zwischen Schonung und doch Abhärtung, Nachsicht und doch Autorität, In-Ruhe-Lassen und doch Ausbilden. Ohne Erfahrungen konnte Fingal nicht weltvertrauter werden, ohne Disziplin nicht geborgen sein, ohne Weiterlernen nicht innerlich lebendig bleiben.
    Eigentlich interessanter als das übliche Dressurprogramm, das mit Primus ein Kinderspiel gewesen war. Glücklicherweise wohnten im Dorf einige zuverlässige Hunde, die wir aufsuchen konnten. Während sie vor ihm wedelten, ermutigte ihn von hinten mein freudiges » Jaaa « und »Ei, ei« im läppischsten Mütterton, er begann zaghaft fröhlich

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