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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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.« Ich brachte ihn unangemeldet zum Tierarzt.
    Eine Stunde später fuhr ich ihn aufs Land, wo ein Hundefriedhof war. Er lag still ergeben hinten auf dem Sitz; ich hätte einen Scheibenwischer für meine Tränen gebraucht. Angegriffene Nerven, zu lange gezaudert, bis man selbst halb krank, völlig unterhöhlt ist . Einen nächsten Hund lasse ich nicht lange leiden, falls überhaupt noch einmal einer möglich ist.
    Ich dachte daran, wie zerbrochen mein Vater war, als Primus starb; mir ging es jetzt ähnlich. Damals hatte ich sehr getrauert, aber doch die Zukunft vor mir gefühlt, voller Pläne. Und Primus war ein Charakter aus einem Guß gewesen; auch in Verzweiflung über seine Morde hatte man ihn lieben und achten müssen. Diese klare große Linie tröstet, bei Menschen auch.
    Fingal hatten wir oft verwünscht; erst wenn wir uns auf Verständnis besannen, sahen wir das Achtungswürdige und Liebenswerte größer. Mit genügendem Verständnis? Er tat doch sein Bestes — ich war sicher oft zu ungeduldig. Ein zerspaltener Charakter; etwas Quälendes in der Trauer um ihn, wie bei solchen Menschen auch.
    Ich bezweifelte, ob ich je einen dritten Hund wagen würde, selbst wenn die Verhältnisse günstig wären. In dieser Stadtwohnung auf keinen Fall, ein junger müßte einen Garten haben. Es gab nichts anderes, als im vierten Stock mit meinen abgerissenen Gewohnheiten allein zu bleiben.
    Den runden Stein legte ich auf meinen Schreibtisch.

Allawa

    Drei Jahre nach Fingals Tod wurde es uns allmählich unangenehm um die Beine: eine gut fünfzig Zentimeter hohe Kälteschicht über dem Boden, wie bei falsch angelegten Warmluftheizungen. An einem Sonntagmorgen im Juli beschloß ich fröstelnd, mir wenigstens die Hundeausstellung anzusehen.
    »Tu’s nicht, tu das nicht, sonst kommst du mit einem Hund nach Hause .«
    »Man kauft doch gar nicht auf einer Ausstellung«, sagte ich lachend. »Ich will einfach nur Hunde sehen .«
    »Aber du darfst keinen heimbringen. Wir haben keine Zeit. Du mußt frei sein .«
    »Ich weiß, ich weiß, ich denke ja nicht entfernt daran .«
    Ich ging in dem schrecklichen Lärm die Reihen entlang, brüllte hier und dort mit Züchtern, tröstete klagende Verlassene. Viele schöne Hunde, fast alle aus einer bess’ren Welt, aber es zog mich zu meinen Schwarzschnäuzlingen . Nur um ein bißchen in Wehmut zu wühlen.
    Eine große Zahl der schon prämiierten Boxer erinnerte an Fingal : elegante, schlank athletische Körper, lebhafte bis nervöse Bewegungen, vorstehende Augen und Unterkiefer. Sehr ausdrucksvolles Mienenspiel. Feinste Färbung, Seidenglanz. Keiner so bäurisch und ruhig wie Primus. Dieser Schlag war wohl ausgestorben. Man findet die Vergangenheit nicht wieder.
    Im Freien wurden gerade die Doggen beurteilt. Neufundländer warteten vor dem Ring; hohe runde Köpfe. Zu schwarz angezogen für die Hitze, die Ausstellung sollte nicht im Juli sein.
    Wem gehörte denn dieses Primus-Fell dort drüben? Stumpfe Hirschfarbe, grobhaarig, halb verdeckt von einigen Männern. Ich ging hin, fragte nach der Rasse. Bullmastiff. Ah, englisch. Die Hündin, etwas größer als Primus, lächelte mich rasch mit den Augen an, pendelte auch mit dem langen Schwanz. Dunkelbraune Schlappohren, dunkle Primus-Schnauze, zwar breit, aber normaler Kiefer.
    Ich stellte mich sachlich, nur für mein eigenes Ohr brodelte es dahinter. Nein, auch die Hündin hörte Emotion, sie lächelte wieder. Fragen nach Alter, Herkunft, ob es hier eine Zucht gebe, und: »Könnte ich irgendwann ein Junges von ihr kaufen ?«
    »Nein«, sagte der Mann, »aber ich verkaufe sie selber. Sie ist mir zu langsam für die Dressur. Heute, wenn Sie wollen .«
    Mit einem fremden Kopfstück von mir stellte ich weitere Fragen, als könnte ich noch wählen. Eine fast dreijährige Hündin dieser Größe - falls sie irgendwelche Pferdefüße hat, ist das kein Spaß. Wir gingen eine gute Strecke weit fort, sie lief frei voraus, etwas schaukelnd zwischen allen Hunden und Kindern durch, deutlich gutmütig. Dann Dressurproben, sogar Spursuchen; tatsächlich sehr langsam, zu selbstbewußt für unwürdiges Exerzieren. Keine Pferdefüße. Und der Preis? Tausend Franken. Schlimm, aber es muß eben gehen. Ich versprach, am Nachmittag das Geld zu bringen.
    Am Steuer auf der unwirklichen Heimfahrt karriolten meine Gedanken kreuz und quer. An sich geht es ja, wir haben einen Garten, Widerstände kann ich niederrennen, sie muß zu uns, aber hat sie denn in Fingals Bett Platz,

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