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Allawa

Allawa

Titel: Allawa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown
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betrachteten uns, als wären wir es, die hier geprüft würden. Kein Gebell. Ein seltsamer Traum, ein Stummfilm, wenn man nicht die gedämpften Menschenstimmen und das schleifende Geräusch von Schuhsohlen gehört hätte. Wie in einer Bilderausstellung — nur daß man sich von den Bildern gewogen und zu leicht befunden fühlte.
    Um die knappe Zeit zu nützen, versuchte ich möglichst nicht zu schwärmen, sondern mit Reportergier Informationen, Anekdoten, Fachausdrücke zu sammeln. Die älteren Züchter kletterten schwindelerregend auf den Stammbäumen herum, acht Generationen hoch, sechzehn und mehr Häuser seitlich ins Geäst hinaus; ich nickte blöde, horchte nur, ob mir wiederholte Namen Inzucht verrieten. Eine Züchterin schaltete ich aus, weil sie ihren Hund heimlich mit schwarzer Augenschminke verbesserte, andere, weil sie Massenproduktion betrieben. Ich verglich Fütterungsprinzipien, fragte tückisch harmlos, wie oft ich so einen Hund ausführen müßte; lautete die Antwort, daß er keine Bewegung brauche, so kam diese Zucht nicht in Betracht. Kein einziger Bullmastiff war dressiert, aber bei denjenigen, die im Haus mitlebten, konnte man Erziehbarkeit ihrer Nachkommen annehmen.
    Schließlich fand ich einen angesehenen und doch sympathischen Züchter, der in drei Monaten einen Wurf zu haben hoffte. An der Hündin, die mit sanften Augen sehr still lag, schlummerte ein zweijähriges Kind; der Rüde war prachtvoll, fast siebzig Kilo schwer, aber von gutmütigstem Ausdruck. Handschlag, in fünf, spätestens sechs Monaten würde ein Söhnchen abholbereit sein. Nachtfahrt zurück im Gefühl, daß alles kommt, was man intensiv genug wünscht.
    Alsbald die Nachricht, daß dieser Rüde auf Freiersfüßen durch ein geschlossenes Fenster gesprungen (nach unseren Begriffen seitengesprungen) sei, man habe ihn abtun müssen. Falls nur ein einziges legitimes Söhnchen auf die Welt käme, würde es daher nicht verkauft, sondern als Nachfolger dabehalten. Ich schrieb einen Kondolenzbrief, hoffte das Beste.
    Fast postwendend zweite Wehklage: die Hündin war über einen hohen Eisenzaun gesprungen, beide Knie ausgerenkt, lahm, Wurf gefährdet. Ich formulierte neue Teilnahme, dachte aber: was für zügellose Eltern, liegt es an ihnen oder am Züchter? Und noch eine Schicht tiefer: was nicht sein soll, das glückt nicht, meine Sicherheit schwindet.
    Zu guter Letzt kam ein Geschwisterpaar lebend an, aber da die Mutter nicht mehr zur Zucht taugte, war auch die kleine Hündin unverkäuflich. Schwer beladene Sprößlinge ; das Mädchen sollte so werden wie die Mutter, das Bübchen wie der Vater — ein Glück, daß Hundekinder von solchen Erwartungen nicht zermalmt werden.
    Vor Pimis Ankunft war es Staunen und Nicken zugleich gewesen; diesmal dachte ich: merkwürdig, wie enttäuscht und zugleich erleichtert man sein kann. Die Unfälle hatten meine Absichten umgefärbt, als wollte ich etwas erzwingen. Ein Seiltanz, immer die Mitte zwischen Wollen und Nicht-Wollen zu treffen. Für einen künftigen Schicksalsgenossen sollte doch ein bißchen Zufall bestätigend winken, schien mir. Der Abwink beendete wenigstens die Zweifel.

    Zum Trost besuchte ich die Schweizer Ausstellungshündin, die zwei Stunden von uns entfernt lebte. Und siehe da, sie war trächtig; der Besitzer hatte es mir mitteilen wollen, unsere Adresse aber nicht mehr gefunden. Ich staunte: es gab doch außer ihrem Vater und einem Bruder keinen Rüden im Land? »Genau«, sagte der Besitzer, »wir haben’s eben mit dem Vater versucht .«
    Ich fuhr nachdenklich nach Hause. Die schönen Augen der Hündin, schon mit dem besonderen Mutterschimmer darin, ließen mir keine Wahl, ich freute mich einerseits ungeduldig — andererseits aber war das eine weit schlimmere Inzucht als alles, was ich in England abgelehnt hatte. Abwarten was wird, ohne Wunsch, ohne Furcht.
    Bei meinem nächsten Besuch war schon eine Familie versammelt: drei amorphe Wesen, fünf Tage alt, rutschten im Stroh herum, noch unentschlossen, ob sie vergrößerte Engerlinge oder irgendwelche Raubtierchen werden wollten. Im ganzen waren es fünf gewesen; um zwei totgeborene hatte sich die Mutter so verzweifelt bemüht, daß sie die drei nachfolgenden lebenden unbeleckt liegen ließ. Jetzt tranken und krabbelten diese drei, aber sie sahen jämmerlich aus, rosa gefleckt, nicht ahnend, daß sie imposante Rüden zu werden hätten.
    Vier Wochen später unterschieden sie sich deutlich voneinander. Zwei hellgelb, mit langen

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