Allawa
pechschwarzen Gesichtern, ungeschlacht, herrschsüchtig; einer still und anschmiegsam, kleiner als die andern, bräunlich aprikosenfarben, hoch gewölbtes Köpfchen, heiterer Ausdruck. Dieser mußte es sein.
Als er sechs Wochen alt war, begrüßte er mich mit Gewackel und wachem Blick. Das Besitzer-Ehepaar, der Junge lächelten mit, uns alle schien dieselbe freundliche Wiegen- oder Welpenstimmung zu verbinden. Ich fotografierte wieder, der Meine schaute treuherzig in die Kamera, er war auch äußerlich, für jedermann sichtbar, der beste vom Wurf, der rundeste, der typischste. Zu Hause betrachtete ich das Bild wie damals den Boxer im >Kosmos<, obwohl ich auch diesmal jeden Zug auswendig konnte: das Gesicht meiner Träume, ein besserer Primus.
Sein Name stand für mich fest, ehe ich darüber nachdachte. Ich hatte in einem Roman gelesen, daß »Allawa« in der Sprache der Australneger » stay a little while « bedeute; ja, er sollte ein langes Weilchen bei uns bleiben, und der Name rief sich gut, und eine breite schwarze Nase würde er ohnedies haben.
Noch vierzehn Tage. Mit neun oder zehn Wochen, je nach seinen Fortschritten, sollte er kommen; kräftig genug für die Übersiedlung und zart genug für mühelose Lenkung, einfach so früh wie möglich.
Ich rief an, wann ich ihn holen könne. »Überhaupt nicht«, antwortete der Züchter, »der Hund ist verkauft .« War das geträumt? Ich versuchte mich zu wecken. Umsonst, mein machtloses »aber Sie haben doch«, »aber wir hatten doch« prallte an einem schroffen Felsen ab. Nicht wiederzuerkennen. Einen der andern könnte ich haben, sagte der Mann. Das wollte ich nicht. Also, erledigt, adieu.
Das Nichtbegreifen war am schmerzhaftesten. Der kleine Allawa hätte ja auch irgendwie umkommen können, es gibt keine garantierten Lieferungen von Lebewesen, das hat man hinzunehmen; aber daß man wie ein Narr im Kreis denkt, was denn vorgegangen ist, wann denn, warum — schrecklich, diese Menschen. Die Rührseligkeit auf der Ausstellung, die scheinbar gute Wiegenstimmung, alles nur sentimental, nicht gültig. Ein Hund würde nie sein Wort brechen, oder nie ohne Angabe der Gründe.
Die Hundegeister hörten diese Klage und sorgten für Beschäftigungstherapie. Als ich am nächsten Tag einen greisen Jagdhundzüchter besuchte, saß einer seiner achtwöchigen Welpen abseits, in steifer Haltung, mit geschwollenen Halsdrüsen. Also rasch ins Tierspital; er schlief auf meinem Schoß unter dem Steuerrad, heiß, krank. Schlechte Diagnose: eine meist tödlich verlaufende Welpeninfektion. Alle vier Stunden Antibiotika und morgen wiederkommen.
Der Züchter zu alt, die Geschwister zu wurlig — das Nächstliegende war, die Pflege bei uns zu versuchen. Mein telefonischer Vorschlag wurde gleich angenommen. So, mein Kleiner, jetzt geht es deinem Tod an den Kragen, du bist viel zu süß zum Sterben. Zwei traurige leere Hände frei nur für dich.
Er schlief sehr viel, wurde in den Garten getragen, trank ein bißchen, schlief weiter in einem runden Spankorb, der von einer Blumensendung stammte. Weit unten auf dem Fußboden, sehr allein. So kann niemand gesund werden. Ich glaubte vom Schreibtisch aus Anzeichen von Verwelken zu sehen; deutlich erschlaffende Blätter. Zum Glück war die Schreibtischarbeit nicht überaus dringend, nur zu lesen hatte ich, das konnte ich auch auf dem Sofa tun und ihn dabei wärmen. Nun schien er mir nicht mehr absinkend zu schlafen, eher sich auffüllend. Vielleicht Einbildung: auch gut, dann bilde ich ihm eben Gesundwerden ein.
Aber die Schwellungen, das Fieber, die Mattigkeit nahmen über Nacht zu. Mehrere Ärzte umstanden den Untersuchungstisch und nickten gegenseitig zu den Erklärungen: am besten gleich töten, wird ein qualvoller Zerfall, zu spät entdeckt, Aussichten eins zu hundert. Man fotografierte die elende kleine Gestalt. Ich wollte noch einen Tag warten.
Auf unserem Sofa wurde ich wieder sicherer. Er schlief behaglich umhüllt, man kann sich doch nicht so täuschen? Und wenn ich nach langem Stillhalten vorsichtig einen steifen Knochen bewegte, sah er mich an - nicht aufgeschreckt, sondern gläubig. Er hatte sich angeschlossen, kam vom freundlichen Tod herüber zu mir, weil ich fand, daß der Tod nicht das Richtige sei. Ein folgsames Seelchen, man konnte sich schon seinen späteren Charakter vorstellen.
Wenigstens wurde es im Lauf des Tages nicht schlimmer. Auch nicht besser; meine Hoffnungen stützten sich nur darauf, daß er leise wedelte, mir
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