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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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stundenweise in so einem beschissenen Club in einer Seitenstraße der Fremont Street Spielkarten aus. Obendrein darf ich keinen Alkohol trinken - so eine Leber ist ein heikles kleines Miststück.« »Medikamente?«
    »Ja, aber lass uns das Thema nicht weiter vertiefen. Ich muss mit jedem Lidschlag eine Pille nehmen. Die Dinger rauben mir den Verstand.«
    Draußen auf dem Hotelbalkon hatten Feuerameisen Wade entdeckt. Er ging hinein. Beth schnarchte. Es war vier Uhr morgens und Zeit für eine 3TC -Kapsel und einen Schluck Ananassaft. Wo sind die letzten sechs Minuten geblieben? Wenn die Zeit verbraucht ist, landet sie dann auf einer Art Schutthalde? Oder fließt sie einen Fluss hinunter wie das Wasser unter den Niagarafällen? Verdunstet Zeit - verwandelt sie sich in Regen und geht dann wieder von vorn los?
    Wade nahm seine Pille, nippte an seinem Saft, stellte sich ans Fenster und schaute auf die Hotels, die Straßen und Autos hinaus, die Florida bedeckten. Na, wenn das keine Zeitmaschine ist. Von allen Staaten der USA - einschließlich Nevada - war Florida für Wade immer wieder derjenige, der am tiefsten in der urzeitlichen Vergangenheit stecken geblieben war. Die Pflanzen hier wirkten primitiver, die Tiere grausamer, die Luft feuchter und bakterienverseuchter. Er hatte das Gefühl, die ganze Landschaft habe sich damit abgefunden, dass sie in einer Milliarde Jahren vermutlich ganz und gar zu Erdöl gepresst sein würde.
    Janet schlief auf der Schlafcouch, ihr Atem ging leicht wie ein Finger, der über Papier streicht.
    Wade öffnete die Schiebetüren zum Balkon, auf dem es auch zu so später Stunde noch immer heiß war, und zündete sich eine Zigarette an. Wenn er schon nicht trinken durfte, rauchte er eben. Scheiß auf die Feuerameisen. Wade, hatte sein Arzt ihm gesagt, Ihre Leber hat die Stoffwechselkapazität eines zweijährigen Mädchens. Ich weiß nicht, wann Sie Ihren letzten Drink hatten, aber wann auch immer das war, es war definitiv Ihr letzter.
    Er drehte sich um und blickte ins Schlafzimmer. Urplötzlich begann das rote Mailbox-Lämpchen am Telefon zu blinken. Hä? Er ging hinein, hob das schnurlose Telefon ab und drückte auf den Wiedergabeknopf - Sarah:
    »Wade, hi, hier ist deine kleine Schwester. Du schläfst bestimmt - wir arbeiten zu so absurden Zeiten. Das hängt mit dem Rhythmus der Erdumkreisungen zusammen. Ich hab grade Pause. Klingt das nicht dämlich? Hi, ich bin Astronautin, und ich mache grade Kaffeepause. Aber es ist die Wahrheit, und heute war ein langer Tag, daher bin ich froh, ein bisschen die Füße hochlegen zu können. Die Russen wollen auf diesem Flug Experimente zur Regeneration von Gewebe durchführen, und ich könnte schwören, dass ihr gesamtes Schwerelosigkeits-Forschungsprogramm von einem McDonald's-Filialleiter betreut wird. Weißt du noch, als die Sowjets noch auf Draht waren? Das waren noch Zeiten. Wie geht's Mom? Wie geht's dir? Beth und ich haben uns nur ungefähr siebzehn Sekunden lang gesehen. Bryans Freundin ist - o Gott - nun ja, zumindest hat sie zwei X-Chromosomen. Wenn du früh genug aufwachst, ruf mich an. Ich hau mich um acht Uhr ziviler Zeit in die Falle.«
    Sie hatte eine Nummer hinterlassen, und Wade ging auf den Balkon und rief sie zurück. »Schwesterchen?«
    »Wade! Ach, das ist ja toll. Was machst du so? Wieso bist du ... morgens um Viertel nach vier auf?«
    »Diese durchgeknallte Familie ... Ich kann nicht schlafen. Manchmal wünschte ich, wir wären so, wie Immobilienverkäufer in diesen Zeitungsanzeigen aussehen - mit hübsch gescheiteltem Haar, optimistischer Haltung und einer heilen kleinen Welt - und wir hätten uns alle das Reptiliengehirn rausoperieren lassen.«
    »Wie geht's Mom?«
    »Ganz okay. Müde.«
    Wade erzählte ihr von Shw. Und Bryan. Und Nickie. Sarah hörte gebannt zu und fragte dann: »Was werdet ihr wegen Nickie und Dad unternehmen?«
    »Keine Ahnung. Sarah -?«
    »Ja, großer Bruder?«
    »Sag mal - wie wirst du bloß mit so viel Verantwortung fertig? Wie? Das ist mein voller Ernst. Wir haben schon mal darüber geredet - als du mich in Kansas besucht hast. Ich kann ja kaum bei Jessie's Catfish Grill einen Tisch zum Abendessen reservieren, ich bin noch nicht mal in der Lage, telefonisch Tickets für Disney World zu bestellen. Ich musste bisher noch nie wirklich Dinge tun. Es gab nie einen Grund dafür. Ich möchte endlich mal etwas zustande bringen, aber ich habe keine Ahnung wie. Du bastelst unterdessen DNS-Stränge im Weltraum,

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