Alle Familien sind verkorkst
nächsten etwas anders konfiguriert. Du solltest mal abends vorbeikommen und meine Schwiegereltern kennen lernen. Von wo rufst du an?«
»Aus Orlando.«
»Du bist in Orlando? Ach, stimmt ja - deine Schwester ist die Astronautin. Unglaublich, die Frau.«
Sie plauderten noch ein paar Minuten, und dann folgte ein betretenes männliches Schweigen.
»Norm. Ich brauche Geld.«
Eine Pause. »Tja, tun wir das nicht alle?«
»Ich musste mir was von Tony dem Tiger aus Carson City leihen, für diese Fruchtbarkeitsklinik. Die kostet ein Vermögen. Meine Frau und ich mussten wegen eines neuen Verfahrens nach Europa fliegen. Fünfzigtausend.«
»Fünfzigtausend? Was kostet fünfzigtausend?«
Ich kann ebenso gut gleich mit der Tür ins Haus fallen. »Norm, ich bin HIV-positiv. Diese Klinik in Mailand füllt das Ejakulat in eine Zentrifuge, in der die leichteren Virenpartikel nach oben steigen, sodass der Rest, der auf dem Boden zurückbleibt, sauber ist.«
Norm blieb einen Moment lang stumm. »Okay. Alles klar. Ich hab schon viele Geschichten gehört. Das hier ist eine ziemlich gute.«
»Das ist keine Geschichte - es ist die Wahrheit.«
»Auf jeden Fall brauchst du Kohle.«
»Ja.«
»Du weißt, wie das läuft, Wade - je größer das Risiko, desto größer die Belohnung.« »Als ob ich das nicht wüsste.« »Wie viel brauchst du?«
»Die fünfzigtausend plus noch mal fünfzigtausend als Zinsen für Tony.«
»Das ist ein ziemlich großes Risiko.« »So viel brauche ich nun mal.«
An Norms Ende entstand ein langes Schweigen, und dann: »Du hast wirklich in einem sehr passenden Moment angerufen, alter Junge. Ich könnte gerade gut einen Kurier gebrauchen.«
»Einen Kurier?« Wade wusste, dass dies auf der Karriereleiter des Untergrunds die unterste und gefährlichste Stufe war. »Warum nicht.«
»Ich sag dir was - ich habe was mit Cheryl am Laufen. Sie tanzt bei einer Pocahontas-Revue in der Main Street USA drüben in Disney World.« »Cheryl?«
»Ja, die kleine Cheryl, und sie ist immer noch jung genug, um auf ältere Männer zu stehen. Wir treffen uns vor dem Ausgang der Monorailbahn an der Main Street USA - morgen früh, Punkt zehn.«
»Disney World? Du?«
»Wade, Wade, Wade - in Disney World passiert nie etwas Schlimmes. Es ist der einzige sichere Ort in diesem abgehackten Staat. Ich habe mich dort schon oft mit Geschäftspartnern getroffen.«
Sie legten auf. Wade trat wieder ins Zimmer, als Beth gerade vom Einkaufen zurückkehrte. Nach einem Nickerchen nahmen sie alle ein ruhiges Abendessen im Speisesaal des Hotels ein, Janet zahlte. Hinterher machten sie einen Spaziergang auf dem International Boulevard, für Wade ein frustrierendes Erlebnis, weil alles, selbst der abgeschmackteste Plunder, so teuer war. Sie kehrten zurück aufs Zimmer, um fernzusehen, und Wade ging wieder mit dem Telefon auf den Balkon. Diesmal raffte er seinen ganzen Mut und all die Schuldgefühle zusammen, die ihn plagten, weil er so ein Herumtreiber und als Sohn so ein Versager war, und rief seinen Vater in Kissimmee an.
»Ja, hallo?«
»Hi, Dad, ich bin's, Wade.« Teds Stimme verriet keine Regung: »Wade.« »Ich bin vorhin bei Sarahs Veranstaltung hier unten gar nicht richtig dazu gekommen, mit dir zu reden.« »Ein Haufen Medienclowns.« »Es war ganz schön was los.«
»Du bist also raus aus dem Knast«, sagte Ted. »Gut. Du bist zu alt für so was. Es ist traurig, wenn ein Mann mit über vierzig noch ins Gefängnis kommt - so einer hat nichts begriffen.«
»Du siehst gut aus.«
»Na ja, verdient hab ich's nicht. Aber Nix sagt, ich habe einen vorteilhaften Knochenbau. Außerdem habe ich eine regelmäßige Verdauung und freien Eintritt beim Solarium des YMCA.«
»Also, Dad - ich hab gehört, du kannst ein bisschen Geld gebrauchen.«
»Wer hat dir das erzählt? Das ist verdammt noch mal meine Sache.«
»Na ja - ich hab mir überlegt, wie man auf die Schnelle ein kleines Taschengeld verdienen kann. Ich dachte, vielleicht interessiert es dich.«
Ted wurde still.
Aha - er legt nicht auf.
»Mit Geld ist es ja immer das Gleiche: Wie gewonnen, so zerronnen«, sagte Ted. »Auf das Haus kann ich verzichten - in dem Mistding regnet es durch. Nix kann die Brötchen verdienen, bis ich einen neuen Job finde, nicht wahr, Nix?« Nickie verdrehte garantiert im Hintergrund die Augen.
»He, Dad, warum kommst du nicht morgen mit uns nach Disney World? Das wird bestimmt lustig. Ich zahle.« Jetzt gibt's kein Zurück mehr.
»Disney World?
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