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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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ausgedacht.«
    Wade blickte hinunter zu Ted. »Komm, Bry - lass uns das perverse Hinkebein wieder in seinen Käfig sperren.« Ted wand sich wie von Sinnen. »Dad, beruhige dich. Es hilft dir gar nichts, wenn du dich so anstellst, und uns erschwert es unseren Job.«
    »Unseren Job?«, fragte Bryan.
    »Ja«, sagte Wade, während sein Vater wieder auf dem Boden des Wagens landete. »Wir müssen Florian diese gottverdammte Fälschung verkaufen.«
    »Aber dazu brauchen wir Dad nicht.«
    »Bryan, wir können ihn nicht einfach an der Autobahn rausschm -« Wade verstummte, und er merkte, dass seine Mutter und sein Bruder ihn ansahen. Ted, dem schwante, was ihm womöglich bevorstand, quiekte.
    »Wie soll er denn nach Hause kommen?«, fragte Bryan.
    »Er ist doch schon ein großer Junge«, sagte Janet.
    »Schon«, sagte Bryan. »Aber er und Nickie brauchen ihren Anteil für all ihre Arztrechnungen.«
    Wade bereute prompt, dass er Bryan von Nickies HIV-Infektion erzählt hatte.
    Janet musterte Ted. »O Gott. Ausgerechnet jetzt, wo ich mich gerade dazu durchringe, ein herzloser Mensch zu werden.« In Teds Augen spiegelte sich das Wissen, dass ihn sensationelle Neuigkeiten erwarteten. Janet setzte sich hin und entfernte die Bandage von seinem Mund. Bevor sie ein Wort sagen konnte, schaltete Wade sich ein: »Wenn du Mom irgendwie beleidigst oder ihr was tust, werde ich deinen ganzen Körper mit Isolierband bekleben, nicht nur jetzt, sondern für den Rest deines Lebens. Kapiert?«
    Ted interessierte sich mehr für das, was Janet ihm mitzuteilen hatte.
    »Ted, du kannst es ebenso gut jetzt gleich erfahren. Nickie wollte es dir eigentlich selbst sagen, aber was soll's.« Sie holte tief Luft. »Nickie ist HIV-positiv -«
    Keine Reaktion.
    »- und ich muss sagen, Ted, sie ist eine Seele von Mensch, und du hast verdammtes Glück, dass du sie gefunden hast, oder vielmehr, dass sie es mit dir aushält. Oder wie auch immer das bei euch läuft.«
    »Er wird ausrasten«, sagte Bryan in die Runde.
    »Ich weiß nicht, Bry -«, sagte Wade.
    Ted sagte keinen Mucks.
    Janet fuhr fort: »Das muss nicht heißen, dass du auch HIV hast, Ted, aber es besteht die Mög -«
    Ted begann im Wagen zu randalieren. Er fluchte aus vollem Halse und schlug so unkontrolliert um sich, dass Janet, Wade und Bryan auseinander stoben wie Glasscherben.
    »Herrje, Dad, reg dich ab.«
    Janet blieb ruhig und sagte alles, was ihr in den Sinn kam, um ihn zu besänftigen. Wade warf ein: »Mom, könnten wir dieses Gespräch auf der Fahrt an der Küste entlang weiterführen?«
    Sie setzten sich in Bewegung, und eine halbe Stunde später hatte Dad sich in sein Schicksal ergeben. Wade saß am Steuer und Janet auf dem Beifahrersitz, während der orangefarbene Transporter Floridas Space-Coast hinaufbrummte. Die Sonne spielte wie jeden Tag ihre Rolle als Dauer-Blitzlichtwürfel, der über einer Welt aus Vitaminpillenkiosken, Golfläden, Stripbars, Autowaschanlagen und Tankstellen glitzerte.
    Diese Landschaft gehört zu einem Vergnügungspark. Ich sitze grad in einer Achterbahn in Form eines orangefarbenen VW-Busses.
    Bryan und der von seinen Fesseln befreite Ted hockten auf dem Rücksitz. Was die drei Männer zusammenhielt, war keinesfalls Liebe - sondern allein die Aussicht auf schnelles Geld.
    Janet nippte an einer Flasche Volvic, die sie immer in ihrer Handtasche hatte, nahm eine 3TC -Kapsel und schloss mit einem trotzigen Klicken ihre Pillendose.
    »Ist das 3TC? Leihst du mir eine, Mom? Meine liegen hinten im Wagen.«
    »Klar.«
    Ted sagte: »Ich begreife wirklich nicht, wieso wir diesem Kraut einen gefälschen Brief unterschieben müssen. Danke, Jan. Auf dich ist Verlass - kaum passiert mal was Gutes, kommst du daher und verdirbst alles.«
    »Danke dir, Ted«, sagte Janet, »was hattest du heute Morgen für einen tollen Plan - Frühstück klauen und am Strand schlafen. Du bist wirklich ein Genie.«
    »Dad«, sagte Wade, »ich rufe Florian erst an, wenn wir den echten Brief geborgen haben. Egal, was du davon hältst. Es wäre falsch, wenn er den kaufen würde.«
    »Du und Moral. Das hat uns noch gefehlt.«
    ... Polizeiwache ... Matratzen-Discount... eine Schmerzklinik ... Spirituosen ... Tierfutter.
    Wade ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.

19
    Janet spürte, dass ihre Einstellung zum Leben sich wandelte. Noch vor zwei Tagen war es ihr bloß wie ein Malspiel für Kinder vorgekommen - ein paar unzusammenhängende, weit auseinander liegende Punkte, die eine Kritzelei ergaben.

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