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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Auge behalten. Sehr bald breitete sich Unkraut aus. Und Kaninchen. Der Kohl verwilderte, und wenn Kohl verwildert, sieht er irgendwie aus wie, ich weiß nicht - ein Obdachloser. Dann fraßen die Käfer ihn auf. Und die Erbsen kamen nie wieder. Immer, wenn Möbel durch die Luft zu fliegen begannen, ging ich im Garten eine rauchen. Ich ging erst dann raus und beobachtete, was passierte, als er nicht mehr gepflegt wurde. Nur Bruchstücke überlebten hier und da eine Kartoffelpflanze, ein bisschen Schnittlauch. Minze.«
    »Und?«
    »Dieser Garten ist wie du und ich, Wade. Wir sind ein Garten, der seine Gärtner verloren hat. Der Garten lebt weiter, aber er wird nie wieder ein richtiger Garten sein.«
    »Beth, das ist doch überhaupt nicht wahr.«
    »Wade. Du bist bereits in Gottes Haus. Jetzt geht es nur noch darum, dein Zimmer zu finden.« Drei Stockwerke weiter unten heulte ein Polizeiwagen an ihrem pensione-Fenster vorbei. Beth wandte den Blick ab. »Ich kann Europa auch nicht leiden.«
    »Was hast du denn, Beth?«
    »Psst, Wade. Ich weiß, wir haben in unserer HIV-Gruppe diesen ›Ein Kurs in Wundern ‹ -Kram durchgenommen, aber es ist nun mal meine Überzeugung: Wir sind ein ungepflegter Garten.«
    Wades Herz zerbrach wie ein Ei auf dem Küchenfußboden. Die Zeit schien schneller zu verstreichen. Dies war der Moment, in dem der Hammer auf den Amboss trifft, die Kette geschmiedet und die Liebe nur noch stärker wird, echter, tiefer und dauerhafter. Wade erkannte die Wahrheit in Beths Worten. Im Grunde seines Herzens gab er ihr Recht, und er dachte an sein Kind, das, lange nachdem die Kaninchen und Rüsselkäfer ihn entsorgt hätten, blühen und gedeihen würde.
    »Gott hat mich heute in diesem Inseminationsraum gesehen, Wade. Wirklich. Er sah die Reagenzgläser und den Edelstahl und das Ultraschallgerät und -«
    »Und was?« Wade stützte sich auf den Ellenbogen und malte Kreise auf Beths Stirn.
    »Er sieht alles. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Er hat mich gesehen. Er hat die Reagenzgläser gesehen. Die Spermaschleuder. Die News at Six. Eisberge in der Antarktis. Mein Innerstes. Alles.«
    »Ich will ein Mädchen«, sagte Wade.
    »Ich will einen Jungen«, sagte Beth. »Mädchen haben kein gutes Leben. Gott hasst Mädchen.«
     
    Bryan und Janet schrieben weiter Mummy-Karten, und Wade schlurfte zu einem Münzfernsprecher. »Wade?«
    »Beth, mein Gott, es tut mir so Leid, Schatz.« »Das weiß ich, Baby.«
    Wade schämte sich. »Ich bin ein Weichei. Ich bin ein Scheißkerl. Ich bin Scheiße. Du bist zu gut für mich.«
    »Nein, du bist zu gut für mich. Ich habe gestern Abend wieder getrunken. Vier Jahre, drei Monate und zwei Tage Enthaltsamkeit - alles für die Katz.«
    »Beth, du hast getrunken, weil ich dich allein gelassen habe. Ich hab kurz reingeschaut, um meine Pillen zu holen, aber du warst noch nicht zurück. Du warst einkaufen oder so was.«
    »Was ist los, Liebling? Da stimmt doch irgendwas nicht. Hat dieser Norm euch in Schwierigkeiten gebracht?«
    »Norm? Ah, nein, aber wir sind ihm bei einem Geschäft behilflich.«
    »Was für ein Geschäft - Drogen etwa? Denn wenn es Drogen sind, verlasse ich dich, Wade. Das haben wir vereinbart.«
    »Drogen? Gott, nein. Sogar Mom macht mit.«
    »Mom? Deine Mutter? Janet?«
    »Genau.«
    »Tja, hier ist sie nicht, dann wird sie wohl bei euch sein. Wann kommst du zurück?«
    »Heute Abend, schätze ich - ich versprech's.«
    Beth blieb unbeeindruckt. »Also, nur damit du's weißt, ich dachte, ich fahr vielleicht zum Kennedy Space Center. Ich -«
    Beths Stimme verlor sich, als Wade zur anderen Seite des Parkplatzes blickte und sah, wie die vertäfelten Türen des orangefarbenen Transporters aufglitten und das verschnürte Bündel, das Ted darstellte, auf das Pflaster fiel. »Ich muss dich später noch mal anrufen, Schatz.« Er lief hinüber zum Wagen, gefolgt von Bryan und Janet. »Was soll das denn werden, Dad?«
    Ted murmelte etwas in die Bandage auf seinem Mund. Eine adrette Famlie ging auf dem Weg zu einem Sportartikel-Outlet vorbei.
    »Hier gibt's nichts zu sehen«, sagte Wade, aber das schien die Familie nicht zufrieden zu stellen. »Gehen Sie weiter.«
    »Alles in Ordnung«, sagte Janet mit ihrer Hostessenstimme von 1965. »Er leidet an Klemperer-Plegie. Manchmal hat er diese Anfälle.«
    Als sie weg waren, sagte Wade: »Klemperer-Plegie?«
    »Nach Werner Klemperer, dem Darsteller des Oberst Klink in Ein Käfig voller Helden. Ich hab's mir gerade

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