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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Brusttasche, und Janet stöpselte es ein. Es piepste wie ein munterer Spatz, und Janet verkündete, dass sie wieder mit der Menschheit verbunden seien.
    »Ich wusste nicht, dass Howie ein Ladegerät hat«, sagte Wade.
    »Man muss nur suchen, Wade.«
    Das Telefon auf dem Armaturenbrett begann sich wieder aufzuladen. Die Nordküste Floridas zog vorbei. Von Westen her, aus den Reißbrettsiedlungen von Orange County, stieg Janet Brandgeruch in die Nase. Sie sah plötzlich alles in Schwarzweiß und wurde von der Gegenwart in die Vergangenheit versetzt. Sie hasste dieses Gefühl. Sie betrachtete die billigen Hotels, die mit trister Putz-Mayonnaise beschmiert waren, Küstenlandschaften, die von den unaufhörlichen Atlantik-Winden sauber gescheuert worden waren, sodass nur Palmenstümpfe und struppige Meertrauben übrig blieben. Es kam ihr vor, als habe sie den drittbesten Badeort eines Landes wie Libyen vor sich, wo die prüden Vorstellungen gutbürgerlicher Freizeitgestaltung alle seit Ewigkeiten überholt waren. Die Welt hatte was Ordinäres. Sie stellte sich vor, dass in den Hotels, an denen sie vorbeifuhren, echte Crackhuren live! im Trash-Fernsehen lief und Aufzüge irgendwo in den oberen Stockwerken festgerostet waren. Sie sah Bilder von türlosen Zimmern, bewohnt von Propheten, denen man ihre Visionen genommen hatte, Bilder von Teenagern, die auf von Bierbrauereien entworfenen Handtüchern vögelten, verrottete Holzfußböden, deren Bohlen trocken und spröde geworden waren - eine Welt, die ihrer Werte, ihrer Ideale und ihrer Richtung beraubt war. Und dann fühlte Janet sich, als sei sie nun offiziell in der Zukunft angekommen, einer Zukunft, die so weit von den Träumen ihrer Jugend in Toronto entfernt war, dass sie sich an Vorträge auf dem Discovery Channel erinnert fühlte, über das Reisen mit Lichtgeschwindigkeit, über junge Männer und Frauen, die ins Universum geschossen wurden, und, als sie zur Erde zurückkehrten, feststellen mussten, dass alles, was sie je gekannt hatten, tot, fort, vergessen oder diskreditiert war, und diese Welt war Janets Welt.
    »Wade, begreifst du diese Gegend hier?«
    »Hä? Ja, klar - die US 1 geht immer an der Küste lang.«
    »Nein. Das habe ich nicht gemeint. Ich meine - warum gibt es eine Gegend wie diese?«
    »Fühlst du dich unwohl hier?«
    »Ja. Erklär's mir. Erklär mir Daytona Beach.«
    »Daytona ist ein Vergnügungsort - ein Ort, an dem -« »Hör auf, Wade. Hör sofort auf. Das kannst du besser. Tu so, als wäre ich nicht deine Mutter. Tu so, als wäre ich betrunken und du auch, und als ob du weißt, dass du, wenn du nur noch ein Glas trinkst, zu beduselt sein wirst, um irgendwas zu erklären, aber im Moment besitzt du den übermenschlichen Scharfblick, den man direkt vor diesem letzten Drink hat.«
    Wade holte ein paarmal Luft. Er nahm die Frage offensichtlich ernst. »Ich habe einen Freund, Todd, der durch eine Scheidung all sein Geld verloren hat, und nun sitzt er in einem kleinen Kiosk draußen in Richmond und verkauft Lotterielose. Er hat mich einmal gefragt, an welchem Tag des Lotteriezyklus sich die Lose wohl am besten verkaufen würden. Ich hab gesagt, Keine Ahnung, wahrscheinlich wenn es einen richtig großen Jackpot gibt - aber er meinte, keineswegs, es ist der Morgen nach dem großen Jackpot. Die Leute rennen ihm die Tür ein, sobald er den Laden aufmacht. Sie wollen das Los so lange wie möglich in der Hand halten. Solange sie mit leeren Händen dastehen, können sie nicht hoffen, aber sie brauchen diese Hoffnung.«
    ... Nagelstudio ... Wet-T-Shirt-Contest... Bierdosenkühler zum halben Preis ... Zimmer frei... kein Zimmer frei... Citgo-Tankstelle ...
    »Und so glaube ich, Daytona Beach ist für all jene Menschen gedacht, die am Morgen nach der Ziehung der Lottozahlen als Erstes zum Kiosk rennen. Sie wissen, dass die wirklich guten Strände vor mindestens einem Jahrhundert von den Reichen vereinnahmt worden sind. Sie wissen, dass dies vermutlich der einzige Strand ist, den sie je abkriegen werden - aber sie glauben auch, dass sie vielleicht einmal eine tiefe tropische Bräune bekommen statt eines schweinchenrosa Sonnenbrands, dass die Margaritas sie einmal witzig anstatt schrill und langweilig machen und dass sie vielleicht in der Hotellobby dem Fick ihres Lebens begegnen werden, rattenscharf und zu allem bereit. Wenn nicht Daytona Beach, dann ist es Lake Havasu, und wenn nicht Lake Havasu, dann ist es, ich weiß nicht - irgendwo auf Long Island.«
    ...

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