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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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weiter.
    Ich bin verseucht. Meine Seele ist verseucht. Sie spürte, wie die Chemikalien eines ganzen Lebens die Fasern und Knochen ihres Körpers durchspülten: Impfstoffe, die Pille, Pestizide, Malathion, Süßstoffe, Antibiotika, Sulfonamide ... Nur Gott weiß, was noch alles.
    Ahorne, Eigentumswohnungen, Möwen und mit Geländewagen bestückte Tieflader glitten vor Janets Augen vorbei. Das ist also die Zukunft - es ist nicht die Zukunft, die ich erwartet habe, aber ich will verdammt sein, wenn ich von ihr ignoriert werde.
    Sie spürte, wie ihr gesamtes mentales Reservoir persönlicher Momentaufnahmen zum Fenster hinausflatterte - all jene traurigen kleinen Anstandsideale von 1956 - fort wie Mücken im August - sechseinhalb Jahrzehnte Nettigkeiten, die ihr nicht gedankt worden waren, leidenschaftsloser Sex, lähmende Schuldgefühle, die zu nichts geführt hatten, Selbstaufgabe, Wochenenden, die sie mit dem Beschneiden von Azaleen und dem Stopfen von Löchern in Sarahs Strümpfen verbracht hatte - alles fort.
    Die Sonne versank endgültig hinter Vancouver Island.

25
    Florian stand um Punkt sechs vor der Haustür, ein unscheinbarer, etwas aufgeschwemmter und nicht mehr ganz frisch wirkender Blondschopf. Das Weiße in seinen Augen war gelb, einer seiner Schneidezähne war durch das Nikotin ocker verfärbt, und es fehlte ein Stückchen. Er hätte ohne weiteres der Typ sein können, der Janet im vorigen Winter einen Satz Winterreifen verkauft hatte. Was hab ich denn erwartet - einen Heiligenschein? Cary Grant? Ja, das habe ich. Sie spielte die perfekte Gastgeberin: »Sie müssen« - eine Pause - »Florian sein. Kommen Sie rein - bitte - draußen ist es so heiß.«
    »Aber zuerst muss ich Ihnen die Hand küssen.« Florian küsste ihre Hand. Janet spürte seine Zungenspitze - im Ernst?
    »Hui - wie kontinental.«
    »Enchante.« Er richtete sich wieder auf und lugte zur Tür hinein. »Das ist Ihr Haus?«
    Janet schaute sich um, als würde sie eines Verbrechens angeklagt, das sie nicht begangen hatte. »Guter Gott, nein.«
    »Da bin ich aber erleichtert.« Florian nahm sich einen Moment Zeit, um Gayles innenarchitektonisches Statement auf sich wirken zu lassen. »Dieser Anblick weckt unweigerlich die Sehnsucht nach einem netten leeren japanischen Raum mit nur einer Vase und einem raffiniert gewundenen Zweig darin.« Er warf rasch einen Blick ins Wohnzimmer. »Gott im Himmel!«
    »Es ist zum Schreien, ich weiß. Wie finden Sie dieses Haus - das reinste Tara, was?«
    »Und Sie sind eine so bezaubernde Magnolie.«
    »Geben Sie mir eine Sekunde, und ich hole meine Sachen.«
    »Zum Beispiel... Ihre Pillen?«
    Janet lächelte. »Sie glauben gar nicht, wie viele das sind.«
    »Oh, aber durchaus. Der Familienbetrieb, wissen Sie.«
    »Ach ja, natürlich.« Janet holte ihre Pillendose, und beide traten aus der Haustür, die Janet einfach zuwarf. Sie fragte: »Wo wollen wir essen gehen?«
    »Ich habe ein Lokal ein paar Meilen die Küste runter ausgesucht. Um ehrlich zu sein, habe ich bisher noch nie einen Fuß nach Daytona Beach oder Umgebung gesetzt.«
    »Also, in dieser Gegend isst man entweder Steak oder bakterienverseuchtes Fischfilet. Worauf ich wirklich Lust hätte, wäre ein französisches Restaurant, aber träum weiter, Janet Drummond. All diese köstliche Butter, und die Franzosen knausern nie mit dem Salz.«
    »Oh!«, sagte Florian. »Sie sind auch verrückt nach Salz.«
    »Himmel, ja. Wenn Sie einen Salzleckstein auf einer Kuhweide entdecken, würde ich sofort dort mit Ihnen essen.«
    »Janet, ich muss Ihnen einfach eine Flasche von diesem Malteser Meersalz schicken, Fleurs de Sel Sardaignain - in jedes Körnchen ist ein Anchovispartikel eingelassen - sehr subtil.«
    »Ich glaube, das habe ich bei Martha Stewart gesehen.«
    »Ach.« Florians Miene verfinsterte sich kurzfristig. »Warum muss diese Frau alles populär machen?«
    »Heutzutage lässt man bei allen Lebensmitteln das Salz weg. Das Essen ist so fad geworden. Ist Ihnen das auch aufgefallen?«
    »Ja, nicht wahr? Bitte, steigen Sie ein.« Florian hielt die hintere Tür eines Lincoln Town Car auf. Der Fahrer war durch eine Rauchglasscheibe vom Fahrgastraum getrennt. Janet stieg ein, und Florian sagte zu dem Rauchglas: »Tio, zu diesem Fisch-Restaurant in New Smyrna Beach, das wir ausgesucht haben.«
    »Ja, Sir.«
    »Ist der Wohnwagen startklar?« »Ja, Sir.«
    »Der Wohnwagen?«, fragte Janet.
    Florian wandte sich zu ihr um, deutete auf ein Mobile Home von

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