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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Coupland
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Impala aus den späten 90ern auf. Es war das erste Automodell seit dem 65er Mustang, das Janet auffiel; Impala war die Marke, die ihr Vater gefahren hatte. Also hat noch etwas von damals bis heute überlebt. Sie musterte den Wagen, um zu sehen, ob er sich ebenso verändert hatte wie sie selbst. Ernie fragte: »Sie kennen sich mit Autos aus?«
    »Ich? Nein. Mein Dad hat einen Impala gefahren. Ich habe jahrelang nicht mehr an diesen Wagen gedacht.«
    »Ein gutes Auto. Zuverlässig, erschwinglich und bequem. Haben Sie Hunger?«
    »Ich? Hunger? Himmel, nein. Eine halbe Portion Götterspeise und eine Weintraube würden mir schon reichen.«
    Sir Steak war ein Feuerwerk aus kunstseidenen Wimpeln, die zwischen den Gebläsen einer durchgedrehten Klimaanlage flatterten. Wie Verbrecher aussehende Teenager in schlecht geschneiderten historischen Kostümen liefen mit Minicomputern herum und vermittelten die Illusion von Service.
    »Das ist ja drollig hier«, sagte Janet.
    »›Drollig ‹ ? Das Wort hab ich nicht mehr gehört, seit ... seit -«
    »Den 50ern?«
    »Ah - ja.«
    »Wir sind Museumsstücke, Ernie.«
    Als sie sich hingesetzt hatten, nahm eine Kellnerin ihre Getränkebestellung auf. »Ich glaube, ich möchte einen Screwdriver«, sagte Ernie. Er sah Janet an.
    Besser, ich sag ihm nichts von meinen Aphthen. »Koffeinfreier Kaffee, bitte.«
    Blip, blip, blip.
    Ihre Bestellung wurde in einen Minicomputer eingegeben, und ihre Kind-Kellnerin entfernte sich wieder. Blecherne, stereotyp klingende spanische Musik quiekte aus der Wandvertäfelung, als ob darin Mäuse eine Party feierten. Die Speisekarten kamen mit den Getränken.
    »Die Salatbar macht einen sehr guten Eindruck«, sagte Ernie. »Haben Sie schon gesehen?«
    »Natürlich. Salatbars sind die Lungen eines Restaurants, Ernie. Sie absorbieren die Verunreinigungen und Bakterien der Umgebung, sodass die Luft, die wir einatmen, viel sauberer ist.«
    »Dann lass ich's vielleicht lieber.«
    »Ich geh mir mal die Nase pudern, Ernie. Bin gleich wieder da.« Janet verschwand auf die Damentoilette und nahm eine Dronabinol-Tablette, um ihren Appetit anzuregen. Wieso ist es immer noch so eine Schande, in der Öffentlichkeit dabei gesehen zu werden, wie man eine Pille nimmt? Sie schaute in den Spiegel. Ich seh gar nicht so schlecht aus heute. Sie kehrte zum Tisch zurück, wo Ernie sein Jackett ausgezogen hatte.
    »Wie ich sehe, entspannen Sie sich, Ernie.«
    »Netter Laden hier. Lustig.«
    »Ernie, haben Sie sich je gefragt, wieso unter allen Tieren ausgerechnet Schildkröten und Papageien jahrhundertelang leben? Warum nicht, sagen wir, Jaguare oder Stockenten? Es ist, als hätten Papageien und Schildkröten das große Los in der Lotterie des Tierreichs gezogen.«
    »Menschen liegen auch nicht allzu schlecht. Zweiundsiebzig-Komma-fünf ist nicht übel.«
    »Sie sprachen von Ihrer Enkelin, Ernie. Wo ist Ihre Familie?«
    »Ich bin Witwer. Seit zwei Jahren - Lucy. Hodgkin-Lymphom. Eins, zwei, drei, finito.« »Tut mir Leid.«
    Ernie seufzte. »Das Leben geht weiter.« Er nippte an seinem Drink. Ein weiterer jugendlicher Krimineller kam und nahm ihre Essensbestellung auf.
    »Und was ist Ihre Geschichte, Janet? Was macht eine Frau wie Sie in einem Cybercafe? Sie wirken eher wie der Tierschutz- und Yoga-Typ.«
    »Heute habe ich NASA-Daten heruntergeladen. Meine Tochter ist Astronautin. Sarah.«
    »Dann sind Sie also wirklich ... Sie sind Sarah Drummonds Mutter. Ich war mir nicht sicher. Ich wollte es nicht von mir aus ansprechen. Caramha! Ich esse mit einer Berühmtheit. Wow.«
    Janet fragte sich, ob Ernie sich nun, da er eine Quasi-Prominente vor sich hatte, anders verhalten würde.
    Der Salat kam. Danach redeten sie über ihre Zähne, das schwüle Wetter, Bienen und die Schulen, auf die sie gegangen waren - sie hatten eine gemeinsame Bekannte, eine Kindheitsfreundin von Janet, die in Ernies Büro in Manitoba gearbeitet hatte. Sie sprachen über Ernies zwei verheiratete Söhne, einer weit weg in Straßburg, Frankreich, der andere vor Ort und mitten in einer schmutzigen Scheidung mit Sorgerechtsstreitigkeiten.
    Ihr Essen kam, und sie unterhielten sich über den bevorstehenden Shuttle-Start. Es ist so nett, mit jemandem in meinem Alter zu plaudern - man muss nichts erklären.
    Janet würgte ein paar Bissen von ihrem Huhn hinunter; die Teller wurden abgetragen. Ernie fragte, ob sie noch etwas haben wolle.
    »Wie wär's mit einem Sandtörtchen?«, fragte Janet. »Früher habe ich auf unserem

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