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Alle Farben der Welt - Roman

Alle Farben der Welt - Roman

Titel: Alle Farben der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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rief das ganze Haus zusammen.
    Frank hing an einem Strick vom Deckenbalken.
    Gleich am nächsten Morgen begaben sich Monsieur und Madame Vanheim zum Standesamt nach Antwerpen, um den Unfalltod von Franco Spina zu melden, dem schwachsinnigen Epileptiker , der am 18. Oktober 1877 nach Geel und in ihre Obhut gekommen war. Auch diesmal leitete niemand eine Untersuchung ein. Die Vanheims bekundeten ihre Bereitschaft, einen neuen Verrückten bei sich aufzunehmen, und da die Warteliste lang war, wies man ihnen sogleich einen zu.
    Schon bald würde also ein neuer Gast kommen, und wie üblich sollte es ein Fest geben. In Geel werden die Gäste mit allen Ehren empfangen. Man holt die Sonntagskleider heraus, putzt das Besteck, geht die Lieder noch einmal durch und lädt Freunde ein. Denn es ist ein großer Tag für Geel, wenn ein neuer Verrückter kommt.
    Ein Fest.
    Mein erstes Fest.
    Ich war sehr aufgeregt.
    Den ganzen Nachmittag lang würde ich mein Haar bürsten. Ich würde meine Haube so aufsetzen, wie Joëlle es mir gezeigt hatte, und ich würde meine Wangen schminken. Ich wollte so schön sein, dass mich jemand bitten würde, mein Kavalier sein zu dürfen. Ich ahnte, dass etwas geschehen würde.
    Und es geschah etwas, Monsieur van Gogh.

Es war ein rauschendes Fest.
    Eine Menge Leute waren da. Gern würde ich mir von jedem zumindest eine Kleinigkeit ins Gedächtnis zurückrufen, die Art, wie er sich die Brille auf der Nase zurechtrückte, oder einen Satz, den er häufig wiederholte. Gern würde ich mich an alle erinnern. Doch das ist schwierig, es waren zu viele.
    Fast das ganze Dorf war da.
    So beginne ich mit den Gegenständen, das ist leichter. Sie stehen dicht beieinander: ein Kandelaber, ein Service mit weiß-goldenen Tellern, Silberbestecke, ein gelber Holztisch, Stühle, Servietten, eine große, rote Kerze, eine Vase mit Eibisch und Zinnien. Dann das Essen: Roggenbrot, Bohnen, Kartoffeln, Schweinefleisch und Eier. Dazu, wie immer, ausschließlich Bier. Kein Wein, kein Likör, kein Tabak, ganz wie es die Regeln in Geel zum Schutz seiner schwachen, besonderen Bewohner vorschreiben. Es war ein schöner Tag, die blasse Sonne vom Nebel verschleiert. In der Nähe der Gärten hatte man zwei Lagerfeuer entfacht, die bis zum nächsten Morgen brennen sollten. Die bläulichen Flammen züngelten zu den Pappeln empor, die kurz vor der Blüte standen. Fleischgeruch füllte die Lungen.
    Der Verrückte, den wir erwarteten, war ein Melancholiker aus Brüssel, der dazu neigte, Fenster einzuschlagen. Auch er würde im Keller der Vanheims landen. Auch er würde zur heiligen Dymphna gehen und sie um Heilung bitten.
    Man erwartete ihn mit der Mittagskutsche.
    Doch zunächst kamen all die anderen. Doktor Shepper klopfte schon vormittags um elf an die Tür. Gaston erschien in Seemannsuniform. Dann kam Icarus, der mich lächelnd begrüßte. Als wir eine Weile geplaudert hatten, schickte mich Madame Vanheim in die Küche und sprach selbst mit ihm, in der Hoffnung, er würde um meine Hand bitten. Doch Icarus bat sie um gar nichts, seine einzige Sorge bestand darin, das Landgut zu retten, den Bauern ihren Lohn zu sichern und sich über Wasser zu halten. »Irgendwie werden wir es schon schaffen, doch die Zeiten sind wirklich hart.«
    Langsam füllte sich das Haus. Überall saßen Leute, auf der Treppe, auf dem Fußboden und auf provisorischen Bänken aus Brettern. Lisbeth, die noch immer große, pralle Brüste hatte wie eine junge Frau, fragte mit einem Blick auf meinen Oberkörper: »Und wo sind denn deine?« Monsieur Zoek betrachtete die Familienporträts und verbeugte sich, als er mich sah: »Sie sehen bezaubernd aus, Mademoiselle Teresa«, worauf ich mit einem gezierten Knicks antwortete. Da war der große, dünne Edwin mit einem Glas in der Hand, als wolle er es gegen alle verteidigen. Die Vanheims waren beeindruckend. In ihren teuren Samtkleidern aus der Stadt gingen sie Hand in Hand zwischen den Gästen umher. Auch Jen, Jos und Jan waren vornehm gekleidet, ganz in Blau und Weiß, man hatte sie fein gemacht und frisch gekämmt, doch Jen warf sofort mit einem rohen Ei nach Jos, und beide Kinder wurden in die Küche verbannt. An einem kleinen, mit rotem Leder bezogenen Tisch im Salon gewann Halois beim Kartenspiel gegen Ernani.
    Um drei Uhr war die Kutsche immer noch nicht da und auch der Verrückte nicht, doch niemand nahm mehr Notiz davon. Bier und Heidelbeersaft flossen in Strömen, in den großen Kochtöpfen brodelte es, die Glut

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