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Alle Farben der Welt - Roman

Alle Farben der Welt - Roman

Titel: Alle Farben der Welt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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dass ich irgendeinen Icarus heirate. Dabei sind Sie es, Monsieur van Gogh, der mir gefällt. Meine Mutter sagt, sie habe mich auf die bestmögliche Art gemacht, um mir alle Wege offenzuhalten, ich könne selbst entscheiden, ob ich ein Mann oder eine Frau sein will, Bräutigam oder Braut. Was für ein Glück! Ich könne ausprobieren, was besser sei, sagt sie mit einem Lächeln. Ich kann mein Geschlecht wechseln. Ich bin ein Chamäleon. Ich sage ihr, ich wolle ein Mann sein. Frauen seien schwächer. Frauen würden schreckliche Dinge widerfahren. Ich bin unter der Erde, in einer Kohlengrube. Ich bekomme keine Luft mehr. Dann trete ich Hesters Gesicht mit Füßen, aber ich sehe, dass sie es gar nicht ist. Es ist Madame Vanheim, ihr Mund ist voller Münzen, die wie Ameisen wimmeln. Es sind Tausende. Heute Nacht werde ich aus meinem Bett aufstehen, Monsieur Zandmennik wird froh sein, dass ich fortgehe. Ich will Maler werden, Monsieur van Gogh. Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und fühle mich wie ein Versager. Ich war Prediger, doch es ist nicht leicht, an Wunder zu glauben. Wie stellt man es an, die Hoffnung nicht aufzugeben? Ich werde auf einer Leiter in den Himmel hinaufsteigen und dem Regenbogen die Farben stehlen. Ich spüre den angenehmen Duft von Seife. Ich wasche mich in einem Bottich. Mir ist heiß. Ich spüre den Geschmack von Eisen, von Blut. Da ist ein Kind mit roten Haaren, das aus meinem Bauch drängt. Ich wünsche mir dieses Leben, das in mir wächst, über alles, auch wenn ich nichts habe, was ich ihm geben könnte. Der Gedanke, dass es bereits in meinem Bauch Haare hat, verstört mich. Aber es ist mein Kind. Ich bin glücklich. Es ist sehr windig. Es herrscht ein unglaublicher Wind, Monsieur van Gogh. Er kommt durchs Fenster. Ich bin glücklich.

    Ich habe diese Seiten hier gefunden. Ich weiß nicht, von wem sie sind. Sie steckten unter meiner Matratze, waren aber ungeschickt verborgen, jeder hätte sie sehen können. Ich habe sie gelesen. Sie sind kurios, ja lächerlich. Das Lesen fällt mir schwer. Nach dem Abendessen, wenn ich die Milch getrunken habe, die die Pfleger mir geben, trübt sich mein Blick. Offenbar ist es die Geschichte eines Mädchens. Eine Kranke, die vor mir in diesem Bett geschlafen hat, muss diese Seiten vergessen haben. Doch in diesem Teil der Anstalt sind keine Frauen. Sonderbar. Vielleicht gab es hier früher welche. Ich werde die Seiten den Schwestern geben. Die Schwestern haben mich gern. Vor allem Schwester Henriette.
    Ich muss Ihnen ein Geheimnis anvertrauen, Monsieur van Gogh. Sie müssen mir aber versprechen, es niemandem zu verraten. Versprochen? Ich muss Ihnen vertrauen, eine andere Wahl bleibt mir nicht. Die Verrückten hier sind nicht wirklich verrückt. Es ist nur ein Trick. Eine Tarnung. Wir sind eine Armee, die im Begriff ist, Frankreich zu besetzen, Bicêtre einzunehmen, zu stürmen, und alle zu töten, alle, wir sammeln uns hier, damit uns niemand entdeckt. Wir treffen uns jeden Abend, beim Essen. Es gibt Probleme mit den Uniformen, wir haben Schwierigkeiten, genug Stoff zu bekommen, um sie alle einheitlich zu machen. Wissen Sie vielleicht, wo man Stoff kaufen kann? Wir brauchen mindestens fünfhundert Meter. Das ist wirklich das Mindeste.
    Das Ohr schnitt ab sich der rote Tor
    Und kommt sich im Spiegel ganz trefflich vor
    Dann gleitet die Schere tiefer im Nu
    Fou roux, fou roux, fou roux.
    Der rote Tor schneidet ab sich die Hände
    Und wirft sie den Hunden zum Fraß vor am Ende
    Die Schere kommt nun ganz zur Ruh
    Fou roux, fou roux, fou roux.
    Schwarze Krähen.
    Nur drei Farben sind mir geblieben. Gelb, Schwarz und Blau.
    Nichts weiter.
    Eine lange Pistole, ich halte sie in der Hand, schnüffle an ihr, wende sie hin und her, führe sie an die Stirn, atme tief ein und höre einen Schuss. Ich weiß, was passiert ist. Meine Mutter hat es mir erzählt. Sie sind heute gestorben, Monsieur van Gogh. Sie hatten Blut verloren, blieben aber am Leben. Sie liefen mit der Kugel im Leib einige Tage umher, fingen wieder an zu malen, zu sprechen, und schienen bei klarem Bewusstsein zu sein, ohne Wahnvorstellungen. Sie hatten die Pistole der Anstalt benutzt. Sie wird unter Verschluss gehalten und ist nur für den Notfall gedacht. Doch der Pfleger Leroy, der dienstags kommt, schläft ja immer ein. In Saint-Rémy hatte man die Pistole nur ein einziges Mal benutzt, damals, als ein Patient den Oberaufseher Trabuc würgte. Ich drehe sie auf der Zunge hin und her, bevor ich abdrücke. Man

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