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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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Freund«, wandte er sich an den schweigsamen Passagier, der an dem unteren Ende der Tafel keinen Blick von seinem Teller wandte und keine Silbe gesprochen hatte, »wie steht es mit Euch?«
    Der Angeredete sah, ohne den Kopf zu heben, einen Moment nur durch seine buschigen Augenbrauen zu dem Sprecher hinüber und schien erst keine Antwort auf die an ihn gerichtete Frage geben zu wollen.
    »Wer - ich?« fragte er endlich, als der Siedler noch immer schwieg und seinen Blick nicht von ihm nahm.
    »Ja, Ihr, Mate, seid Ihr bewaffnet?«
    »Nein«, brummte der Mann, sich neuen Fleischvorrat auf seinen Teller häufend. »Wozu?«
    »Wozu? Wollt Ihr Euch von den Buschläufern wehrlos mißhandeln lassen?«
    Der Angeredete ließ seinen Blick von dem Sprecher langsam und fast wie höhnisch auf dessen Nachbar, Mr. Bush, gleiten und sagte dann plötzlich, indem er gleichgültig wieder seine Mahlzeit fortsetzte:
    »Wollen's abwarten, Mate!«
    »Auf unseren schweigsamen Freund da unten«, lachte Bush, »scheint es, werden wir nicht besonders rechnen dürfen. Dann haben wir nur noch den Kutscher als dritte Hilfe!«
    »Hol die Kutscher der Böse«, brummte der Siedler, mit dem Erfolg seiner Anrede nichts weniger als zufrieden. »Wenn die es nicht geradezu offen mit den Buschkleppern halten, passieren sie doch die Straße viel zu oft, als daß sie sich Feinde machen würden. Die Kerle bleiben gewöhnlich ruhig auf ihrem Bock sitzen und sind froh, wenn ihnen nur die Pferde gelassen werden, um weiterfahren zu können. Alles übrige kümmert sie wenig genug.«
    »Bah«, sagte Mr. Warrel, »die ganze Geschichte ist ja doch nur ein müßiges Geschwätz von Reisenden, die - an dem Ort ihrer Bestimmung glücklich und ungehindert angelangt - nicht umhinkönnen, mit irgendeiner überstandenen schrecklichen Gefahr zu prahlen. Hier im Land haben wir keine Tiger oder andere reißenden Bestien, und da müssen dann jahraus und jahrein die Buschranger den alleinigen wieder- und wiedergekäuten Stoff liefern. Ich wette hundert Pfund Sterling, daß wir auf der ganzen Fahrt keinen zu sehen bekommen.«
    »Topp!« rief ihm Mr. Bush plötzlich entgegen, »ich nehme Eure Wette an, Sir, und kann dabei jedenfalls nur ein gutes Geschäft machen.«
    »Auch wenn Ihr verliert?« rief Mr. Warrel.
    »Dann erst gewiß«, sagte der junge Mann lachend. »Ich habe eine Herde von 15 000 Schafen verkauft, für die ich das Geld in Wechseln und Banknoten bei mir trage, und will gern hundert Pfund davon bezahlen, wenn ich das übrige sicher nach Adelaide bringe. Wird es mir aber abgenommen, so sind Eure hundert Pfund wieder ein ganz hübscher Anfang für einen neuen Beginn.«
    »Hol's der Henker«, rief der Siedler, »wenn Ihr die Sache von der Seite betrachtet, möcht ich auch wetten, denn wenn mich die Schufte plünderten, machten sie ebenfalls kein schlechtes Geschäft. Wie wär's, Mr. Warrel, wenn wir eine gleiche Versicherung abschlössen.«
    »Danke, Sir«, wehrte aber dieser lachend ab, »ich bekomme dafür nichts Gleichwertiges, denn das Vergnügen, einen wirklichen Buschranger zu sehen, ist doch kaum mehr als hundert Pfund wert, und wenn es wirklich der berüchtigte Gentleman John selbst wäre.«
    »Dann nehmt wenigstens eine von meinen Pistolen«, sagte der Siedler. »Drei entschlossene und bewaffnete Männer können sich einen ganzen Schwarm der feigen, räuberischen Schufte vom Leibe halten.«
    »Auch dafür muß ich danken«, sagte der vorsichtige Kaufmann. »Ich habe Frau und Kind und ein recht hübsches Besitztum zu Hause und keineswegs Lust, mein Leben oder meine gesunden Gliedmaßen unnötigerweise aufs Spiel zu setzen. Was ich bei mir trage, bin ich jeden Augenblick bereit, mit Vergnügen herzugeben - sollten die Herren uns wirklich ganz gegen Erwarten einen Besuch abstatten. Mehr können sie nicht verlangen und verlangen sie nicht. Wer mehr zu verlieren hat, mag zu anderen Mitteln seine Zuflucht nehmen.«
    Der mit dieser Politik nicht besonders einverstandene Siedler murmelte einen leisen Fluch in den Bart, erwiderte aber weiter nichts, und der Kutscher, der indessen draußen in der Küche sein Mittagsmahl verzehrt hatte, erschien auch in diesem Augenblick in der Tür, den Passagieren anzuzeigen, daß ihre Ruhezeit verflossen und die »Royal Mail« gerade wieder im Begriff sei abzufahren.
    Draußen an der Tür stand der Wirt, den Hut auf dem Kopfe, die Hände in den Taschen, und nickte den Passagieren zu, als sie an ihm vorübergingen.
    »Glückliche Reise,

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