Alle lieben Merry
Aufziehmännchen. “Natürlich. Robin. Komm nur rein.”
Er tat es. Und das war das Problem. Sie hatte sich Robin als aufgewecktes, etwas rundliches kleines Mädchen mit roten Apfelbäckchen vorgestellt. Nicht wie eine große schlaksige Bohnenstange mit langen dünnen Armen und Pickeln im Gesicht. Eine große, schlaksige
männliche
Bohnenstange.
“Hey, Charlie”, schrie er, während er mit seinen Schuhen, die nach Größe fünfzig aussahen, durch die Küche latschte.
Ein Junge, dachte sich Merry wieder. Zwar war es nicht so abwegig, dass Jungs zu Übernachtungspartys kamen, nur … Charlene war elf. Das war das Alter, in dem man beste Freundinnen hatte. Beste weibliche Freundinnen. Zumindest hatte sie es so in Erinnerung.
Sie musste sich an den Küchentisch lehnen, um sich wieder zu fassen. Dann läutete es ein zweites Mal. Zwei munter wirkende Kinder kletterten aus einem BMW – eines war rothaarig und hatte mehr Sommersprossen als Haut. “Sandra”, stellte sie sich vor. “Und Sie sind die coole Merry, stimmt’s?”
“Ich bin Merry, genau – komm rein, Liebes. Und du bist …?” Oh Gott, oh Gott.
“Bo.” Bo schüttelte ihr so heftig die Hand, als hätte man ihm allzu nachdrücklich Manieren eingebläut. Merry musste zu ihm aufschauen, denn er war viel größer als sie. Aber er hatte die Augen eines Kindes. Er war nur so verdammt groß, dass er wie ein American-Football-Spieler wirkte. Und allein als er durch die Küche ging, stieß er drei Dinge um.
Okay, da hätten wir also zwei Jungs, sagte sie. Sie versuchte, fröhlich zu bleiben.
Nur kam dann Quinn. Und Quinn war auch kein Mädchen.
Und dann kam Tanguy. Merry hatte wegen des Namens jemanden erwartet, der aus einer anderen Kultur kam, aber verdammt, sie hatte ein Mädchen aus einer anderen Kultur erwartet. Nicht einen ein Meter zwanzig kleinen Jungen mit Gel im Haar und einem Diamanten in der Augenbraue. Nicht dass sie etwas gegen Tattoos und Piercings hatte. So war es nicht. Aber ihre Meinung bezüglich Löchern im Körper hatte sich doch ein wenig geändert, seit sie vor einem Monat Mutter geworden war.
Der letzte Gast kam fünf Minuten später und füllte den ganzen Türrahmen aus. Sein Name war Cyr.
Noch ein Junge. Dieser trug die gleichen Klamotten wie Charlie. Er war blond, hatte blaue Augen und trug einen Koffer, der groß genug war, um damit in Europa ein halbes Jahr überleben zu können.
Die nächste große Frage in ihrem Leben, dachte Merry, war, ob sie sofort einen Herzinfarkt bekommen oder eine halbe Stunde warten sollte. Vielleicht war es einfacher, wenn sie es gleich hinter sich brächte …
Jack hatte die Kinder fast nie an einem Freitagabend. Kicker hatte immer Dates, und Cooper unternahm meistens etwas mit seinen Freunden. Diesmal allerdings hatte Dianne etwas zu erledigen, und deshalb hatte er die Jungs abgeholt. Da Coop gerade von einem Zahnarzttermin kam, bei dem dreimal gebohrt worden war, war Kicker der Einzige, der sich lautstark über die freitägliche Inhaftierung bei seinem Dad beklagte.
Er hatte Suppe für Coop und Po’Boy-Sandwiches für Kicker und sich selbst gekauft und ein paar klassische Männerfilme ausgeliehen. Die drei hatten es sich gerade auf der Couch im abgedunkelten Wohnzimmer gemütlich gemacht und zogen sich den ersten Actionfilm rein, als das Telefon klingelte.
Kicker, der stets reflexartig auf das Läuten eines Telefons – jedes Telefons – reagierte, langte über die Lehne zum Apparat.
“Angesichts der Tatsache, dass es das Festnetz ist, glaube ich, dass der Anruf eigentlich für mich ist”, sagte Jack trocken. “Es ist ja nicht dein Handy, das läutet.”
“Ich weiß, ich weiß”, sagte Kicker und presste sich den Hörer trotzdem an sein Ohr, als hoffe er, das neueste Sexsymbol in seiner Klasse hätte ihm hierher nachtelefoniert. Was, soweit Jack wusste, sehr gut möglich war. Die Mädchen schienen Kicker überall aufzuspüren. Sie klangen dann immer ganz atemlos und kicherten.
Jack konzentrierte sich wieder auf den Film und zog seine Schuhe aus. Es war eine lange Woche gewesen. Eine gute Woche zwar, aber er war trotzdem mehr als reif fürs Wochenende … Es verging eine weitere Minute, und Kicker telefonierte noch immer. Sein Sohn hing oft stundenlang an der Strippe, aber irgendetwas am momentanen Gespräch irritierte Jack, obwohl er nur den Teil hören konnte, der von Kicker kam. Zumindest am Anfang.
“Hey, es ist schon in Ordnung. Ich kann sofort rüberkommen, wenn Sie
Weitere Kostenlose Bücher