Alle lieben Peter
Landluft — Dung!«
»Das ist Cocki. Er hat Ventilschaden. Möchtest du nicht mal halten?«
»Mitnichten. Sie sind, bevor wir abfuhren, alle drei in die Knie gegangen.«
Sie seufzte. Ich drehte das Radio an: »Mittagskonzert. Vielleicht spielen sie >Glühwürmchen<, dein Lieblingslied.«
Nach einer Viertelstunde erklärte sie: »Ich habe Hunger.«
»Du willst nur, daß der Dicke ‘rauskommt.«
»Nein, ich habe wirklich Hunger.«
»Na, schön, warte, bis wir da oben in den Wäldern sind.«
Ich vertröstete sie noch zwanzig Kilometer weit, bis sie erklärte: »Jetzt ist mir schon ganz übel vor Hunger!«
»Wir sind schon da. Schau mal, die schöne Wiese dort — und der Bach in der Mitte.«
Ich schwenkte in den Feldweg ein, der sich zu Füßen der Bergwiese dahinwand, und hielt. Weffi machte einen Raketenstart durch die halbgeöffnete Tür und riß mir fast die Nase ab. Peter sprang erst auf Cockis Rücken, dann auf Mamis Schulter und dann mitten in Weffi hinein, der seine Blechtrompete angestellt hatte und mit gellendem Weff-weff-weff den üblichen totalen Gedankenschwund bei mir erzeugte. Cocki wühlte sich zwischen den Koffern hoch, fiel kopfüber in den Spirituskocher, trampelte über die Schreibmaschine und stand schließlich auch im Freien. Weffi schrie ihm ins Ohr. Er schloß betäubt die Augen und galoppierte dann dem Waldrand zu, Peter folgte ihm. Weffi sah ihnen mit schiefem Kopf nach und raste dann hinter ihnen her. Ich seufzte erleichtert auf, breitete die Decke aus, die Mama holte Teller, Bestecke, kalte Buletten und eine Gurke hervor, und dann saßen wir uns gegenüber und aßen. Um uns blühten Herbstzeitlosen, der Sonnenschein, war schon etwas durchsichtig, aber noch warm, ein schwarzer Laufkäfer huschte durchs Gras, der Himmel war wie aus Seide mit zarten Föhnfahnen darin. Prächtig stand lang und dunkel auf dem Weg unter uns.
Wir aßen, langsam und mit Bedacht. »Schön, Mulleken?«
Sie nickte und sah mich freundlich an.
»Na siehste!« sagte ich, zündete mir eine Zigarre an und legte mich hintenüber in die Wiese.
»Wo sind eigentlich die Hunde?« fragte sie nach einer Weile.
»Werden schon kommen.« Ich starrte über die dunkle Waldmauer zur Linken. Die unteren, kahlen Äste standen alle genau waagerecht. Dahinter war es schwarz. Über der Waldmauer baute sich ein Wolkenturm auf. Er schien aus dicker weißer Sahne zu sein und hatte eine violette Schärpe um den Bauch. Davor kreisten mit Katzenmiauen zwei Bussarde.
Die Mama folgte meinem Blick: »Schlagsahne müßten wir uns aber doch mal leisten«, sagte sie. »Die ist vielleicht billiger auf dem Land.«
»Sicher.«
Hinter uns raschelte es im Gestrüpp. Ich drehte mich um und sah Weffis weiße Schnute. Er hechelte, seine Augen glänzten. »Aha, Nummer eins«, sagte die Mama und stellte ihm seinen Freßnapf hin. Er aber kam nicht so einfach aus dem Gesträuch. Irgendwo hakte es. Schließlich schoß er mit einem Ruck daraus hervor und blieb gleich darauf zitternd vor uns sitzen. Eine Brombeerranke steckte in seiner linken Pluderhose.
»Ach herrje!« sagte ich. »Geht’s nicht mehr? Reifenschaden? Na, komm her!« Ich beseitigte die Ranke und hielt sie ihm hin. Er mußte sie erst beriechen, ehe er glaubte, daß sie wirklich ‘raus war. Dann begann er langsam und bedächtig zu fressen.
In diesem Augenblick hörten wir im Wald Cockis tiefe Stimme und dazwischen den hellen Hetzlaut Peters.
»Ach, um Gottes willen«, sagte die Mama, »sie haben ein Tier!«
»Sie haben noch nie eines gefangen!«
»Aber wenn sie ein Jäger erschießt?«
»Wird kein Jäger da sein.«
»Warum pfeifst du denn nicht?«
»Hören sie nicht.«
»Dann werde ich sie holen!«
Sie machte Miene aufzustehen. Ich hielt sie fest: »Bleib sitzen — ich gehe, wenn’s dich beruhigt!«
Das Gebell kam auf uns zu. Ich stand auf. Es knackte im Wald. Und dann ereignete sich das Fabelhafte: Ein gewaltiger Hirsch, die vielendige Geweihkrone stolz erhoben, raste genau auf uns zu. Wir starrten ihm mit offenem Mund entgegen. Als er uns bemerkte, bog er ein wenig aus, höchstens einen halben Meter. »Weffi!« schrie ich. Der Kleine duckte sich neben seinem Napf, und dann brauste der Hirsch direkt über ihn hinweg. Die Erde zitterte, als sein mächtiger Leib an uns vorüberflog, und eine Sekunde lang fühlte ich ernst und ruhig seine wunderbaren dunklen Augen auf mir. Über die Straße — und weg, wie eine Vision.
»Weffi!« Er lag da, plattgedrückt, die Augen
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