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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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jetzt machen?«
    »Bei dir bin ich auf alles gefaßt.«
    »Schöner Zug von dir. Also — du ziehst diesen traurigen Sack aus, mit dem du dich da dekoriert hast, und dann gehen wir in den >Hirschen<.«
    »Du bist verrückt. Ich denke gar nicht daran.«
    »Bist du noch nicht umgezogen?«
    »Wir haben doch kein Geld mehr!«
    »Wer sagt dir das? Momentane Verklammung. Ich nehme Vorschuß bei meiner sonnigen Zukunft.«
    Sie stand auf und zog die Trauerschürze aus: »Unverbesserlich. Ich möchte wirklich mal wissen, wann ihr erwachsen werdet.« Sie drehte plötzlich wieder um: »Nein, geh allein, wenn dir das hier nicht gut genug ist. In dieser Situation! Ich hätte gar keinen Appetit. Der Bissen würde mir im Munde quellen.«
    »Das macht nichts. Bist du noch immer nicht fertig?«
    »Und die Hunde?« fragte sie schwach.
    »Nehmen wir mit.«
    Wir gingen zum >Hirschen<, und es wurde ein glorioser Abend. Ich aß Holsteiner Schnitzel und wusch es mit drei großen Bier herunter. Der Mama bestellte ich Bouillon mit Mark und hinterher ihr Lieblingsgericht: Hirn mit Ei. Dazu flößte ich ihr zwei Viertel Tiroler Spezial ein. »Wie ist das«, fragte sie dann, »möchtest du nicht noch eine Käseplatte in deinem Mund quellen lassen?«
    »Kann ich sehr empfehlen, gnädige Frau!« sagte der Ober hinter ihrem Stuhl.
    Sie kicherte und drohte ihm mit dem Finger. Dabei fiel ihr die Gabel herunter. Dann erschrak sie wieder über ihre eigene gute Laune und versuchte mich streng anzusehen: »So viel Geld! Ich zahle meinen Anteil.«
    »Nächstens, Mulleken, nächstens.« Ich winkte dem Ober. Er verschwand in Richtung Küche.
    »Wo sind denn die Kinder?« Sie rückte mit dem Stuhl ab und warf nunmehr das Messer herunter. Ich sah mich um: Weffi saß bei einer Dame am Nachbartisch auf dem Schoß und wurde mit Schinkenbrot gefüttert. Peter machte bei einem Dicken mit ganz kahlem Kopf Männchen und erntete eine halbe Weißwurst. Cocki wurde gerade von der Wirtin mit einem fleischbehangenen Kotelettknochen aus der Küche gelockt. »Du siehst, alles in Ordnung.«
    Die Mama trank mit einem Ruck ihr Glas leer und griff dann über den Tisch nach meiner Hand: »Erzähle mir doch noch mal den Witz von dem Betrunkenen, der seiner Schwiegermutter fünf Mark in die Hand drückt.«
    Als wir in unseren Bunker heimkehrten, gab es Schwierigkeiten mit dem Schloß. Die Mama hatte ihren Hut etwas schief auf und nahm ihn auch nicht ab, als sie sich auf den Gartenstuhl setzte und die Bratheringe aß, >damit nichts umkommt<.
    Ich brachte Cocki und Weffi zur Ruhe, nahm dann meine Kerze und zuckelte nach oben. Wo, zum Teufel, war denn nun Peter?
    Ich fand ihn in Frauchens Zimmer. Er kam mir eilig entgegengerannt, kehrt wieder um und machte Männchen vor der Stelle, wo sonst der Schrank stand. Er wollte sein Gute-Nacht-Plätzchen. Ich sah mir das, während es mir kalt über den Rücken lief, an. Dann setzte ich das Licht auf den Boden und zog ihn vorsichtig an mich: »Ach, mein Äffchen, mein Jenseits-Auge, es ist doch kein Schrank mehr da — und kein Frauchen, du Dummchen!«
    Er sah mich ernst an, und da wußte ich: Es war nicht Dummheit. Es war Magie. Mit seiner Beschwörung wollte er die geliebten Dinge wieder ins Haus zurückbringen. Ins leere Haus.
    Ich kraulte seine Brust. Er winselte leise.
    »Nutzt nichts, Fliegenbein«, flüsterte ich, »kein Zauber hilft. Komm, wir schlafen beide auf dem Klappbett.« Es war lausig hart, aber es war — ein letztesmal — im alten Haus.

ZWEITES BUCH
Odysseus
1

    Die Übergabe der Schlüssel an den Hausbesitzer, der Abschied von Mathilde und die Abfahrt lagen erst drei Stunden hinter uns, aber es war schon wie ein Traum.
    Wir fuhren nach Süden, immer auf die Berge zu.
    Die Mama saß neben mir in Prächtig, dessen Inneneinrichtung momentan alles andere als prächtig war. Der Kofferraum an seinem Hinterteil war selbstverständlich bis zum Platzen vollgestopft. Außerdem erhoben sich auf den Hintersitzen zwei weitere Koffersäulen, die durch kunstvolle Verschnürung mit Wäscheleinen daran gehindert wurden, Peter und Cocki zu begraben, die in der Schlucht dazwischen gemeinsam auf einem Deckchen lagen. Das heißt, sie sollten es tun, aber es war seit Beginn unserer Fahrt ein ewiges Gedrängel und Rumoren gewesen. Schließlich hatte natürlich der Dicke gesiegt, und Peterchen hatte sich durch eine waghalsige Kletterpartie in ein Eckchen ganz hoch oben links neben dem Rückfenster verzogen. Manchmal, wenn ich einem Wagen vor

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