Alle lieben Peter
Frauchen jetzt machen? Vor zwei Stunden war sie angekommen und ging vielleicht gerade in den Speisesaal hinunter. Plötzlich hatte ich wieder Hunger. Auf was Solides, Schnitzel ä la Holstein mit einem ordentlichen Schluck Bier zum Runterspülen. Wo waren eigentlich meine drei? Aha: Getöse vom Ende der Straße. Cocki und Weffi rasten mit Schäferhund Alf (sie draußen, Alf drinnen) am Zaun entlang und spielten >furchtbar böse<. Und Peter? Vom Bassin her kam ein Schlapfen. Dann tip-tip-tip seine Schritte über die Fliesen. Ich sah seinen Schatten undeutlich im Mondlicht. Jetzt blieb er stehen und roch an einer Aster.
»Komm, mein kleiner Sonderling«, sagte ich. »Sehen wir, was hier innen los ist!«
Er richtete sich mit eingezogenem Schwänzchen an mir hoch. Ich streichelte ihn. Dann pfiff ich den beiden anderen und schloß auf.
Als ich in die Diele trat, blieb ich überwältigt stehen: auf der Treppe zum ersten Stock brannte als einzige Beleuchtung eine Stearinkerze. Das gesamte Mobiliar der Diele bestand aus einem Besen, einer Müllschaufel und den drei Hundedecken, die in verschiedenen Ecken lagen. Mathilde kam aus der Küche, Peterle, der genauso erstarrt war wie ich, kroch auf sie zu und schmiegte sich an ihr Knie. »Mein armer, kleiner Kerl!« sagte sie und nahm ihn auf den Arm. Und dann streng zu mir: »Das Haus ist besenrein!«
»Aha!« sagte ich ziemlich dumm. »Und wo ist die Mama?«
»Im Speisezimmer.«
Hinter mir kratzte es an der Tür: Weffi. Ich machte auf. Er sprang mit Weff-weff herein und blieb dann auch verdutzt stehen. Auch Cocki kam angewatschelt, einen Zweig hinter dem Ohr und einen gewaltigen Knochen im Maul, offenbar eine Kalbshaxe. Er knurrte mich sicherheitshalber an und steuerte dann die Stelle an, wo sonst seine Kommode stand. Dort fiel ihm vor Erschütterung die Haxe aus dem Maul. Er drehte sich um und sah mich befehlend an: »Bring mir mal meine Höhle, damit ich meinen Knochen gegen dich verteidigen kann!«
Ich holte tief Atem: »Na, dann mal los, Kerls«, sagte ich munter, »Abendessen!«
Ich machte die Tür zum Eßzimmer auf und war abermals überwältigt: die Mama saß in dem leeren Raum auf einem Gartenstuhl. Vor ihr standen zwei Kerzen auf einer Kiste. Auf der Kiste zwei Teller mit je zwei Bratheringen und je einer Käseschnitte. Sie hatte eine uralte schwarze Schürze an, und über ihr hingen die Kabel des abmontierten Kronleuchters aus der Decke, als griffen die Fühler irgendeines scheußlichen Tieres nach ihrem Kopf.
»Du kommst spät!« sagte sie düster. Der flackernde Lichtschein fuhr über ihr Gesicht, so daß die Runen ihres Alters noch tiefer wurden.
»Na, Servus!« sagte ich. »Was wird hier eigentlich gespielt? Gorkis Nachtasyl?«
»Für dich ist der Klappstuhl da. Ich habe dir auch eine Flasche Bier besorgt. Wo warst du denn so lange?«
Ich setzte mich vorsichtig auf den Klappstuhl und nahm ein Lorbeerblatt und eine schwarze Kaper von einem Brathering. Er sah dadurch noch bösartiger aus: »Ich war bei Gutknechts, Wesse-lys und Kluge.«
Sie zog die Gräte aus ihrem ersten Hering und hielt sie Cocki hin, der die Nase krauszog und empört in die Diele watschelte: »Na — und?«
»Es geht bei allen dreien nicht.«
»Das wußte ich! Und was soll nun werden?«
Ihre blaßblauen Augen sahen mich mit einer Art makabren Triumphes an. Die ganzen Jahre, in denen wir hier im Hause unser munteres Treiben entfalteten, mit vielen Gästen und noch viel mehr Flaschen, hatte sie ein schlimmes Ende prophezeit. Sie traute meinem Glück ebensowenig wie Lätitia, die Mutter Napoleons, dem Stern des Hauses Bonaparte. Jetzt war die Pleite da und mit ihr die große Stunde ihrer Tragik.
Plötzlich mußte ich lachen, immer mehr lachen.
»Hör auf«, sagte sie, »ich kann das gar nicht hören! Es gellt hier so. Außerdem kann ich nicht finden, was es so Komisches gibt.«
»Dich«, keuchte ich, »dich, mein liebes, altes, gutes Pessimunkelchen!«
Ich streckte den Bratheringen die Zunge heraus, stand auf und küßte sie (die Mutter) auf den Scheitel und dann auf beide Augen. Sie stemmte mich mit den Händen von sich ab: »Geh weg, verrückter Kerl!« Aber um ihren Mund war ein Lächeln, der Geist eines Lächelns. Ich setzte mich vor ihr auf den Boden, interessiert berochen von Peter und Weffi.
»Du wirst dir die Hose dreckig machen!« sagte die Mama. »Wir können sie vorläufig nicht reinigen lassen.«
»Das Haus ist besenrein!« gab ich zu bedenken. »Weißt du, was wir
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