Alle lieben Peter
netten kleinen Söhnen. Dann kam der Krieg. Er rückte bei den Gebirgsschützen ein und wurde in Rußland gefangen. Erst drei Jahre nach Kriegsschluß kam er heim, aus irgendeinem Lager ganz hinten in Sibirien, wo die Welt zu Ende ist und selbst das Leid im Schnee erstickt. Dafür, fand man im Ort, sah er eigentlich sehr gut aus. Ein zäher Bursche eben. Es war aber nicht nur seine zähe Gebirglernatur, die ihn erhalten hatte, sondern der Gedanke an die Frau und die Buben und den schönen Hof.
Ein paar alte Freunde holten ihn vom Zug ab und brachten ihn erst mal ins Wirtshaus. Aber er wolle doch heim, meinte der Sepp, und wo denn überhaupt die Lisi sei? Und die Kinder? Doch nicht krank? Er wollte sich aus ihren Armen loswinden, aber sie ließen ihn nicht, und als er an ihren Gesichtern sah, daß sie es gut meinten, wurde er sehr still. Im Wirtshaus erzählten sie ihm, daß seine Frau mit einem anderen auf und davon gegangen sei, ins Ausland. Den Hof habe sie verkauft und die Buben mitgenommen. Er könne prozessieren, wenn er wolle, habe der Rechtsanwalt Hochstetter gesagt, und er würde es sogar umsonst für den Sepp tun, weil er fand, daß es eine Schweinerei sei von der Frau.
Aber der Sepp prozessierte nicht, hielt sich nur eine Weile so ganz für sich. War oft im Wald. Von seiner Heimkehrerhilfe kaufte er sich ein kleines verfallenes Haus am Steinacker. Dort vertrank er den Rest der Unterstützung. Er trinkt noch immer seitdem, in Abständen, so alle paar Wochen mal. Und auch dieses gefrorene Weinen ist seitdem in seinem Blick.
Der dicke Kretzschmer, der Wirt von der >Krone<, nahm sich seiner damals an, gab ihm den Posten hier als Hausdiener und ließ ihm die Arbeit, obwohl er — wegen des Trinkens — in jedem Monat ein paar Tage nicht zu verwenden ist. Das sind dann seine schwarzen Tage, in denen es wieder über ihn kommt. In der übrigen Zeit macht er einen ganz merkwürdigen Eindruck. Er hat eine Art, daß niemand wagt, ihm dumm zu kommen, so, als kämen die Dinge dieser Welt überhaupt nicht mehr an ihn heran. Er schaut kein Mädel mehr an, und zu den Männern ist er nett, aber fremd. Das einzige Wesen, an dem er hängt und mit dem er oft redet, ist der Lux. Irgend jemand hat mal was vom >Adel des Leides< geschrieben. In der Beziehung ist der Sepp sicher ein Hochadliger.
Es half mir ein bissel, als ich all das überdachte, während er da auf mich zukam. Was war mein gegenwärtiges Pech gegen dieses Unglück? Was mochte in solch einem Manne Vorgehen, wenn er jeden Morgen an seinem eigenen Hof vorbei mußte und daran dachte, was dort einmal war? Dann schämte ich mich, daß ich es nötig hatte, mich an fremdem Leid aufzurichten.
Lux, obwohl von Sepp ermahnt, sah sehr ungemütlich aus und zog die Flappe hoch, als Weffi harmlos in die Gegend taperte und das Bein an seinem Privat-Eckstein hob. Aber da waren schon Cocki und Peter. Cocki schob sich dicht an den Großen heran und roch ihm an dem entblößten Eckzahn. »Wolltest du was Besonderes?« Peter stellte sich nur schweigend neben Lux’ Hinterkeule. Weffi hatte seine Quittung abgegeben, sah von einem zum anderen und postierte sich dann am Schwanzende des Schäferhundes.
Der Große steckte seinen Zahn wieder ein und sah sich unruhig um. Anscheinend rechnete er sich aus, wer ihn wohin beißen würde, wenn er seinerseits...
Sepp kraulte ihm mit einem kleinen Lächeln den Nacken: »Na, Lux? Das ist dir neu, was?«
Lux drehte sich ganz, ganz vorsichtig um, ging zu seinem Eckstein, beroch ihn angewidert und hob dann mürrisch das Bein. Cocki und Weffi folgten — aber Peter nicht. Er blieb immer auf der Wacht, die Augen dunkel und hart wie Steine: »Wenn sich die anderen auch gehenlassen — ich passe auf, daß du uns keine Tricks spielst!« Lux sah ihn besorgt an und ging weg. Da erst drehte sich Peter um und quittierte seinerseits.
Sepp schüttelte den Kopf, und in seinen Augen war eine Art Leben, als er mich ansah: »Na, so was habe ich noch nicht erlebt! Die sind vielleicht aufeinander eingeübt! Die reine Gangsterbande! Wissen Sie, ich habe neulich mal so was im Kino gesehen, >Auf dunklen Straßen< hieß es. Es war auch so ‘n Bandenführer, so ‘n gemütlicher Kraftprotz wie der Dicke hier und dann so ‘n Spielbubi wie der Weiße (der konnte aber ganz gefährlich Messer werfen) und dann so ‘n Dunkler, Merkwürdiger. Das war die Leibwache von dem Anführer. Der stand nur immer im Hintergrund und spielte so ‘n bißchen mit dem Revolver. Aber
Weitere Kostenlose Bücher