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Alle lieben Peter

Alle lieben Peter

Titel: Alle lieben Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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letzte Käsescheibe hinter meinem Adamsapfel, als er aufstand und mit meinem Hut und Mantel über den Arm hereinkam: »Es möcht’ kühl wer’n, wann ma hoamkimma!«
    »Wieso?«
    Er sah mich befremdet an: »Stammtisch heit!«
    Ich war durchaus nicht in Stimmung, aber was sollte ich machen? Ich nahm meinen Zoo an die Leine, und wir wackelten eine halbe Stunde lang ins Dörfchen zum Krugwirt.
    Drinnen in der Wirtsstube war schon der große Ofen geheizt. Er hockte gewaltig mitten im Raum, war aus braunglasierten Kacheln und hatte lauter runde Kuhlen im Bauch. Ich sah mich um, und wieder einmal berührte mich die ganz eigenartige, in sich ruhende Atmosphäre des Raumes. Dunkelgebeizte Holztäfelung bis zur halben Wandhöhe. Schwere eichene Sitzkojen, jede mit einem stämmigen Tisch in der Mitte, die gewürfelte Decke darüber. Zu Häupten jeder Koje an Ketten hängend ein holzgeschnitztes Symbol aus dem Arbeitsleben der Älpler. Hier war es ein Bäcker mit hoher Mütze, das Tablett mit der Torte in der Hand, dort eine Bäuerin, den Karren mit hochgehäuftem Gras vor sich herschiebend, ein scherenschwingender Schneider in der nächsten, eine butternde Magd, gegenüber der Förster mit der Flinte, der Holzfäller, der Schreiner.
    An den Wänden oberhalb der Täfelung hingen die Schützenscheiben. Von vielen Schüssen durchlöchert, sah man da Auer-hähne, röhrende Hirsche, bärtige Förster mit großen Schnurrbärten, aufgehende Sonnen hinter Almhütten und vollbusigen Sennerinnen — alles in jener Manier gemalt, auf die ein zynisches Städtertum das Schlagwort >Spinat mit Ei< geprägt hatte. In diesem Raum wirkte es plötzlich sinnvoll, und es war gar nichts mehr zum Lachen daran. Mit Stefans Gehirnverrenkungen kam es noch immer mit.
    Und dann waren da noch diese anderen Bilder, die mir Ansel-mus mal erklärt hatte: eine Reportage über sechs jetzt schon verblaßte und rissige Scheiben hin. Es handelte sich um eine prachtvolle Riesenschlägerei zwischen zwei opponierenden Gruppen. Die eine hatte vor einigen Jahren beim Oberwirt, die andere beim Unterwirt getagt. Wechselseitige Stoßtruppunternehmungen hatten in der Demolierung beider Lokale resultiert, und vor der Kirche dann hatte es die entscheidende Schlacht gegeben, in die sich leider als völlig ungebetene Gäste die Beamten des verstärkten Überfallkommandos aus der Kreisstadt eingemischt hatten. Ungelenk, aber treuherzig waren da die beiderseitigen Wirtshäu-

    ser gezeigt mit herausfliegenden Alplern und einer Reihe knüppelschwingender Polizisten davor. Auch die Kapitulation der Revoluzzer vor der Kirche war nicht versäumt und der Umtrunk der frisch Verurteilten im Nebenzimmer des Unterwirts. Ich mußte angesichts dieser gemalten Saga an Breughel denken.
    Vor dem Ofen war der Stammtisch im Gange, den man daran erkannte, daß kein Tischtuch drauflag. An ihm saß ein halbes Dutzend Einheimischer und schlief bei einer Erzählung des Huber-Toni. Der Huber-Toni war schwerhörig, und da er annahm, daß alle anderen es auch seien, schrie er so laut, daß es nur diese Veteranen aushielten, die seine Erzählungen schon ungefähr fünfhundertmal gehört hatten und dabei ihr Nickerchen machen oder sich über etwas anderes unterhalten konnten. Aus den Ohren wuchsen dem Huber-Toni dicke weiße Haarbüschel und aus den Taschen der zerfetzten Hose zwei Bierflaschenhälse. Die hatte er vorsichtshalber schon jetzt eingesteckt, damit er sie beim Heimgehen nicht vergaß. Wenn man sich neben ihn setzte, roch es genauso, als ob jemand wo ‘reingetreten sei. Es wurde mir jedoch versichert, das sei vom Schnupftabak. Ich war mir nie ganz klar, ob’s stimmte. Als verdächtiges Indiz für eine andere Ursache sprach die schwärmerische Hingabe, mit der sich Cocki an Tonis Knie zu schmiegen pflegte. Er machte dabei den Buckel krumm, als ob er sich in etwas wälzen wolle.
    Im übrigen war er — Cocki — beim Krugwirt immer gereizter Stimmung, denn der Krugwirt hatte einen Bernhardiner, Kuno, dem immer zu heiß war und der nie Appetit hatte. Meist schlief er als ein riesenhafter, in sich zusammengefallener Fellhaufen vor seinem gefüllten Fleischnapf.
    Als ich mit meinem Diktator zum erstenmal beim Krugwirt war, watschelte er selbstverständlich sofort auf den Fleischnapf zu. Kuno machte ein Auge auf. Der Diktator zeigte ihm die Zähne. Darauf stand Kuno auf. Es war überwältigend, selbst für den Dicken. Er mag sich vorgekommen sein wie eine Blattlaus vor einer Kröte. Jedenfalls

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