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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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die Illusionen dann doch nicht nehmen.
    »Sicher, dass du nicht mitkommen willst?« Ihre Augen wurden weicher; Katzenaugen, dunkel gesprenkelt.
    »Ein andres Mal«, sagte ich. Ich wollte sie nicht kennen lernen; ich hatte Angst, dass ich sie mögen könnte. Ich wünschte ihr einen schönen Abend, machte mich auf den Weg nach Hause und ließ Yassi mit ihrer Zigarette von großen, nassen Flocken umwirbelt zurück. Auf Kyle zu warten, hatte ich keine Lust. Ich hatte mein Freibier bekommen - seine große Verzeih-mir-Tat. Und ich hatte ihn gut dastehen lassen. Wofür sonst waren Freunde da?
    Als ich nach Hause kam, hatte ich eine weitere Nachricht von Carmi auf dem Anrufbeantworter, in der er sagte, wie schade er es fände, mich wieder verpasst zu haben. Außerdem lag ein Umschlag auf dem Boden; jemand hatte ihn unter der Tür durchgeschoben. Ich dachte zuerst, dass er von der Hausverwaltung sei, die mich zum Beispiel über irgendeinen demnächst anstehenden Handwerkerbesuch informieren wollte, aber das war es nicht. Auf teurem elfenbeinfarbenem Papier mit Initialien-Aufdruck, hatte mir Christian eine Nachricht geschrieben.
    Liebe Alex,
    das Essen mit dir war sehr schön. Ich wünsche, dass du mit mir einkaufen gehst. Ich muss ein paar Dinge besorgen. Bitte sag ja und schieb die Antwort unter meiner Tür durch. Ich lade dich zum Mittagessen ein. Oh - das Rendezvous ist für Sonntagmittag
    Von deinem Nachbarn
    Christian
    Ich betrachtete den Umschlag, das Papier, seine rundliche, mädchenhafte Handschrift. Seine Unterschrift bestand aus verschlungenen Linien. Ich war noch nie so formell zu einer Shoppingtour eingeladen worden. Irgendwie reizvoll. Ich fand einen Bogen Papier und nahm seine durchgeknallte Einladung mit nicht allzu begeisterten Worten an. Dann schlich ich mich in den Flur und schob den Zettel unter seiner Tür durch, wobei ich halb befürchtete, dass er dahinter wartete.
    Aber ich sah kein Licht und in der Wohnung war es totenstill. In dieser Nacht wälzte ich mich unruhig in Carmis Bett herum. Zuerst dachte ich über Christian nach. Dann fragte ich mich, wie es wohl sein würde, Jan wieder zu sehen.

10
    Christian holte mich pünktlich um zwölf Uhr mittags ab. Er hatte sich mit einem knittrigen braunen Anzug und einer rosafarbenen Hermes-Krawatte aufgemotzt und in eine Wolke blumigen Parfüms gehüllt. Sein Haar war glatt gekämmt und sein Gesicht glänzte frisch gewaschen. Er sah aus wie ein Lord aus dem neunzehnten Jahrhundert. Während des Essens erklärte er mir, dass er gerne Shoppen ging. Er behauptete, sein Schrank sei voll gestopft mit Kleidung und Schuhen und er würde trotzdem immer dasselbe tragen. Obwohl das nicht ganz stimmte, widersprach ich ihm nicht. Ich hatte schon begriffen, dass Christian gern seine exzentrische Persönlichkeit kultivierte, beziehungsweise das, was er selbst dafür hielt.
    Unsere Odyssee begann in einer italienischen Boutique auf der Madison, wo Christian sich ein halbes Dutzend Paar Schuhe und Stiefel zusammensuchte und damit zu einer massiven Ledercouch hinüberging. Dort wartete er mit herrischem Blick auf Personal, während der Wachmann ihn misstrauisch beäugte.
    »Willst du das alles anprobieren?«, fragte ich ihn.
    »Klar.« Er tätschelte mir das Bein. »Woher soll ich sonst wissen, was mir gefällt?«
    Das war ein Argument.
    Christian winkte einer winzigkleinen Verkäuferin. Sie kam herüber und maß seine Schuhgröße. Zehn Minuten später kam sie mit einem Stapel Kartons zurück. Bewaffnet mit einem Schuhanzieher, tauchte Christian in die Kartons ein. Schuhe und Stiefel wurden an- und ausgezogen wie am Fließband.
    »Wie findest du die?«, fragte er. Seine breiten Füße dehnten ein Paar zweifarbige Lackleder-Slipper mit papierdünnen Sohlen. Die 425 Dollar kosteten.
    »Das ist nicht dein Stil.«
    »Wieso nicht?«, fragte er, während die gelackte Schuhspitze auf mich deutete.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Die sehen aus, als müssten sie in der Oper getragen werden.«
    »Wir können hingehen, wenn du willst«, sagte er grinsend, als ob ich ihn zu Rigoletto eingeladen hätte.
    »Dann kauf sie eben.«
    Er marschierte stramm auf dem Perserteppich hin und her, trat fest auf, bewegte die Füße in den Gelenken nach links und rechts. »Ich nehme sie«, sagte er zu der eingeschrumpften Frau. »Ich zahle bar.« Christian zog eine Brieftasche heraus, die mit knisternden Hundert-Dollar-Scheinen voll gestopft war. Ich vermutete, seine Designer-Firma habe ihn

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