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unbedingt vorführen. Ich versuchte, ihn zu bremsen. »Das kann er wohl kaum, Malcolm.«
»Stimmt wohl«, schniefte er. »Nun ja, und was ist mit Miss Julie}«
Christians Augen weiteten sich. »Ich kenne Strindberg sehr gut«, sagte er nickend. »Er ist in meinem Land sehr berühmt.«
»Aha«, sagte Malcolm gleichgültig. »Interessieren Sie sich für die Judenverfolgung?«
Christian lächelte. »Ich interessiere mich für alles.«
»Auch für Simon Wiesenthal?«, fragte Malcolm.
»Was meinen Sie?«, fragte Christian zurück.
»Schon gut«, kürzte Malcolm ab. »War nett, Sie kennen gelernt zu haben. Wirklich. Und jetzt verschwindet, ihr beiden. Geht mir aus den Augen.«
Christian holte seine Zigaretten heraus. »Ich gehe raus«, sagte er und zeigte auf den Ausgang. »Ich warte auf dich.«
»Ich bin in zwei Minuten fertig.«
Malcolm, der über einem Tisch mit Socken gebeugt stand, ging seinem Ordnungsfimmel nach.
»Ich hab die Kasse schon zugemacht«, rief ich ihm zu.
Aber Malcolm hörte nicht. »Malcolm?«
»Ich hoffe, Sie tun das Richtige.«
Als ob es ihn kümmern würde.
»Was gucken Sie so?«, fragte er und schaute von einem Stapel rosafarbener Wollstrumpfhosen auf.
»Nur so.«
»Gehen Sie doch zu Ihrem Nazi.«
»Sieg heil, Führer.«
Er lachte nicht. »Sie sind nicht gern mit mir zusammen. Ich bin trostlos, bodenlos, ein Trauerkloß.«
»Es tut mir Leid.« Ich wusste eigentlich nicht, wofür ich mich entschuldigte.
»Blödsinn.«
Ich versetzte ihm einen leichten Klaps auf den Rücken und er fuhr zusammen, als hätte ich ihn mit einem heißen Bügeleisen verbrannt. »Oh Gott.«
»Schon gut«, erklärte er. »Ich werde einfach nicht gerne angefasst.«
»Sie lesen zu viel Beckett.«
Er warf mir ein knappes Lächeln zu. »Vielleicht sollte ich’s mal mit Kitsch-Romanen versuchen.«
»Das könnte was helfen.«
»Machen Sie sich mal keine Sorgen um mich.«
»Keine Angst, Malcolm«, gab ich zurück. »Das tu ich schon nicht.«
Christian und ich liefen zu unserem Haus zurück. Ein heftiger Wind blies uns ins Gesicht. Er redete die ganze Zeit über einen Freund, der gerade nach Pakistan gegangen war, um da eine »Import-Export«-Firma aufzuziehen. Er äußerte sich nur vage zu den Einzelheiten und ich versuchte mir auszumalen, was für Dinge - Schüsseln, Bomben, Saris, was auch immer - sein Freund ins Land bringen wollte und was davon wohl für einen Innenarchitekten interessant sein könnte. Aber ich behielt meine Gedanken für mich. Das Ganze klang ein bisschen halbseiden und ich hatte auch jetzt wieder das Gefühl, dass Christian nicht ganz aufrichtig zu mir war. Außerdem war mir - schon wieder! - so, als ob wir verfolgt würden. Ich warf unauffällig einen Blick über die Schulter, aber es war niemand zu sehen. Carmi wäre entzückt gewesen. In nur einer Woche hatte ich mich in eine paranoide New Yorkerin verwandelt.
Es überraschte mich, dass Christian mich nicht zum Essen einlud. Er wollte nicht mal hereinkommen. Ich war beinahe gekränkt. Er entschuldigte sich vielmals, aber er sei in Eile - er habe etwas Geschäftliches zu erledigen. Er würde es wieder gutmachen, versprach er. Ich fragte ihn, was denn so dringend wäre. Er erklärte mir, dass er einen Anruf von seinem Freund - dem in Pakistan - erwartete, wobei es um Steinfliesen ging, die er für die Küche einer Wohnung auf der Upper East Side verwenden wollte. Sein Kunde würde auf »Ethnisches« stehen. Ich wünschte ihm Glück und verabschiedete mich.
Ich machte mir ein Schinkensandwich und las die Times. Anschließend fügte ich meiner To-Do-Liste noch ein paar Punkte hinzu. Dann rief ich meine Mutter an und redete eine volle Stunde mit ihr. Sie wollte wissen, ob ich schon was von Carmi gehört und einen vernünftigen Job gefunden hätte. Ich erzählte ihr, dass ich bei Barneys arbeitete - in der Marketing-Abteilung. Ich wollte nicht verraten, dass ich mal wieder Klamotten faltete. Sie berichtete mir den neuesten Familientratsch, aber es war nichts besonders Skandalträchtiges dabei. Wir sind eine ziemlich brave Sippschaft.
9
Als ich von meinem Spaziergang um den Block zurückkehrte, hatte ich zwei Anrufe von Kyle auf dem AB - kindische Entschuldigungen dafür, dass er mich in seiner Absteige hatte hängen lassen. Ich löschte seine kratzige Stimme. Er konnte mich mal am Arsch lecken. Als das Telefon klingelte, nahm ich an, es wäre Christian, der es sich wegen heute Abend doch anders überlegt hatte. Aber es war wieder
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