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hatte. Eine Reihe von Fehltritten nach dem kranken Schema »Trial and Error«. Ich war immer diejenige gewesen, die daran gearbeitet hatte, etwas Normalität hineinzubringen. Und das ging mir langsam auf die Nerven.
Als ich nach Hause kam, fand ich eine Nachricht von Christian vor. Ob ich ihn morgen bitte ins Fitness-Studio begleiten würde? Er wollte mir »zeigen, wie man trainiert«. Ein Rückruf sei nicht nötig. Für Christian schien eine Absage nicht im Bereich des Möglichen zu liegen. Aber natürlich hätte ich absagen können - und da Jan in ein paar Tagen eintreffen würde, wäre das sicher die klügere Wahl gewesen. Aber ich tat es leider nicht.
Bei chinesischem Fastfood las ich Malcolms Stück zu Ende. Es handelte von einem Typen namens Peter Piper, der von seiner durchgeknallten Mutter in den Wahnsinn getrieben wird. Nach einer chaotischen Flucht aus einem Heim bringt Peter mit Hilfe einer Truppe bösartiger Engel Unglück über seine Familie. Das war reiner Malcolm - eine wahnsinnige Ode an die zwei Dreh- und Angelpunkte seines Lebens: die Geburt und die Beschneidung. Er war talentiert, aber nur in Maßen. Trotzdem brachte das Stück mich zum Lachen.
12
Christian tauchte zehn Minuten zu spät bei mir auf - eine Zigarette in der einen und einen Becher dampfenden Kaffees in der anderen Hand. Sein rechtes Auge war leicht zugeschwollen, Kratzer zierten seine Stirn. Als ich ihn fragte, was passiert war, stammelte er irgendetwas von einer »Soiree«, auf der er gestern Abend gewesen war. »Ein Freund«, sagte er, »hat eine Party gemacht.« Laut Christians Aussage waren die Dinge ein wenig aus dem Ruder gelaufen, aber besonders erschüttert wirkte er deswegen nicht. Es sei wie in einem »amerikanischen Film« gewesen. Ich erinnerte ihn daran, dass er sich mitten im wahren amerikanischen Leben befinden würde. Daraufhin lachte er nur und meinte, dass ich mir zu viele Gedanken machen würde. Ich kannte sonst keine Leute, die sich auf Partys prügelten. Irgendwie seltsam. Aber vielleicht ging ich auch nur nicht auf die richtigen Partys.
Ich folgte Christian ins innere Heiligtum des Studios, ein durchgestyltes, dreistöckiges Sportetablissement mit einem horrenden Mitgliedsbeitrag - so erzählte er mir jedenfalls. Vormittags in der Woche war nicht besonders viel los. »Hier ist die Damen-Umkleide.« Er zeigte auf einen Flur. »Wir treffen uns hier. Wenn du dich umgezogen hast.«
Ich nickte gehorsam. Ich konnte ihn kaum verstehen, so laut hämmerte die Disco-Musik.
Während ich zur Umkleide ging, merkte ich, dass ich eigentlich gar keine Lust auf Training hatte. Wahrscheinlich hatte ich nur mit Christian zusammen sein wollen. Ich wollte es mir zwar nicht eingestehen, aber irgendwie mochte ich ihn.
Als ich Christian sah, wäre ich fast in lautes Gelächter ausgebrochen. Er hatte sich in eine rote Radlerhose gequetscht, sein Muskelshirt war ein paar Nummern zu klein und die Turnschuhe sahen wie Moonboots aus. Mit Bedacht rückte er die Schweißbänder an seinen Handgelenken und das um seinen Kopf zurecht; ein Handtuch lag um seinen Hals. Es fehlte nur noch die Trillerpfeife, um aus ihm einen erstklassigen Kreuzfahrt- Aerobic-Instructor zu machen. »Bist du so weit?«, fragte er.
»So weit wie ich sein kann.«
Während er mich zum ersten Gerät scheuchte, versuchte er unauffäl-
lig, mein Outfit zu checken - Sport-Bustier und enge Shorts. »Das hier ist gut für den Gluteus«, erklärte er. Um uns herum grunzten und stöhnten Leute. »Sehr gut für Frauen.«
»Aha«, erwiderte ich. Mein Hintern war sicherlich noch verbesserungsfähig.
»Ich zeige es dir.« Er stellte seinen blauen Energy-Drink neben die Maschine und legte sich bäuchlings auf die Bank. Sein goldenes Haar glänzte im Licht. Er schob seine Beine unter die dicken Rollen und hob sie gen Decke, die Arschbacken zusammengepresst wie zwei Fäuste. Das wiederholte er etwa zehn Mal, während er laut durch den Mund atmete. Schließlich stand er rotgesichtig und mit vor Schweiß tropfendem Haaransatz auf »Jetzt du«, sagte er lächelnd.
Ich rutschte auf die Bank, während er das Gewicht einstellte. »Stell’s leicht ein«, bat ich.
»Okay«, sagte er. »Los. Jetzt.«
Ich fühlte mich wie ein Pferd in der Startbox. »Los«, rief er wieder. Ich hob meine Beine langsam an. Die Gewichte zogen daran wie ein Sack Kartoffeln.
»Gut! Du bist stärker als die meisten Mädchen.«
Ich wiederholte die Übung vier Mal. »Okay«, keuchte ich. »Mir
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