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lächelnd.
Jan hatte schiefe Zähne - ein Makel, den ich sehr anziehend fand.
»Wein trinken«, wiederholte ich. Wir stießen an.
Ich ließ dem Bordeaux einen Moment lang Zeit, sich in meinem Mund zu entfalten.
»Was hast du in Indien gemacht?«, fragte ich schließlich.
»Einen Freund besucht«, erwiderte er, während er Butter auf ein Stück Brot schmierte. »Und eingekauft.«
»Edelsteine, meinst du.«
»Ja«, sagte er. »Das ganz normale Programm.«
Ich fand das alles andere als normal. Gewöhnliche Leute reisten nicht quer über den Globus, um Diamanten einzukaufen. »Da ist überhaupt nichts normal dran.«
»Du hast Recht«, gab Jan zu. »Es ist harte Arbeit. Geld. Steine. Poppadum. Der Ganges. Elefanten.« Der Kellner brachte unser Essen.
»Bist du auf einem geritten?«, fragte ich, während ich mir seine dünnen Beine auf ledriger Haut vorstellte.
»Auf einem Elefanten?« Jan lachte. »Eigentlich nicht.« Er probierte sein Cassoulet.
»Mein Freund allerdings schon«, fuhr er fort. »Er steht auf solche Sachen.«
»Was für Sachen?«
»Elefanten reiten. Untätig am Strand von Goa rumhängen. Ich beneide ihn.« Jan lächelte. »Wir sollten irgendwann mal hinfahren ...«
Wir waren gerade erst wieder zusammen und er sprach davon, an Orte zu reisen, für die es vermutlich noch nicht mal einen Reiseführer gab. Ich fühlte mich geschmeichelt, aber ich war gerade erst dabei, mich an New York zu gewöhnen.
»Schwer durchführbar«, sagte ich, obwohl ich mir gut vorstellen konnte, mit Jan nach Europa zurückzukehren und dort eine Weile zu bleiben. Eigentlich ganz einfach.
»Vermutlich«, gab er zu. »Wir kennen uns ja kaum.«
Ich nickte. Er hatte Recht.
»Aber ich weiß«, begann er zögernd, »dass ich dich mag.«
»Ich dich auch«, sagte ich. Und es stimmte - ich mochte Jan wirklich. Er war anders - von seinen seltsamen Augen bis hin zu der Art, wie er dachte. Jan konnte launisch sein. Er machte aus heiterem Himmel Vorschläge, nur um sie genauso schnell wieder zu verwerfen.
Jan legte sein Besteck ordentlich auf den Teller. Er hatte sogar bessere Manieren als die meisten Frauen, die ich kannte. Das war eine weitere Eigenschaft, die ich sehr einnehmend fand.
Als wir schließlich das Restaurant verließen, waren die Straßen so gut wie ausgestorben. Langsam gingen wir zu Carmis Wohnung zurück, wobei wir immer wieder anhielten, um eine schöne Fassade zu betrachten oder in ein Schaufenster zu sehen. Wir sprachen über nichts Besonderes - mehr über alltägliche Dinge, Anekdoten aus meinem Job und was ich bisher in New York so gemacht hatte. Die Unterhaltung ging mühelos vonstatten. Ich war froh, dass er hier war.
Als wir an Carmis Haus ankamen, zögerte ich. Ich wusste nicht genau, ob ich ihn noch hochbitten sollte. Ich wollte ihn gerade fragen, als Christian in einem Taxi vor der Tür anhielt. Die Haare im rotfleckigen Gesicht, wälzte er sich aus dem Wagen und bedachte mich mit einem breiten Grinsen. Er stellte sich so dicht neben mich, dass ich sein süßes Parfüm in der kalten Nachtluft riechen konnte. Er musterte Jan rasch von Kopf bis Fuß, kicherte wie ein Schakal und sagte hallo. Ich musste ihn wohl oder übel vorstellen.
Jan schüttelte ihm relativ desinteressiert die Hand. Christian lächelte und fing sofort an, über Schweden und Belgien zu labern, welche ja beide kleine, verkappt sozialistische Länder seien. Er war »einen Freund besuchen« gewesen, um »das Projekt zu feiern«. Irgendwann ging ihm der Gesprächsstoff aus. Er versuchte, meinen Blick einzufangen, aber ich sah ihn nicht an. Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Christian musste den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden haben, denn er wünschte uns schließlich fröhlich eine gute Nacht und tapste ins Haus.
Als er weg war, fragte Jan: »Was war denn das für eine Nervensäge?«
»Mein Nachbar.«
»Kennst du ihn?«
»Nicht wirklich«, log ich. »Mein Onkel hat mit ihm zu tun.«
»Nicht mein Typ.«
»Warum nicht?«
»Er ist einfach ein arroganter Holländer«, sagte Jan. Er blinzelte mir zu und wandte sich dann ab, um einem Taxi zu winken.
»Nein«, korrigierte ich. »Ein arroganter Schwede.«
Das Taxi hielt. Jan küsste mich auf eine Art und Weise, die in mir den Wunsch wachrief, dass er bleiben würde. Und so lange, dass ich den Eindruck hatte, er würde dasselbe denken. Doch Jan war zu höflich, um sich selbst einzuladen. Bevor er in den Wagen einstieg, versicherte er mir, dass er mich anrufen würde. Dann
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