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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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war er fort. Ich bleib noch einen Moment lang wie betäubt stehen und betrachtete die Autos, die vorbeifuhren. Irgendwie fühlte ich mich total aus der Bahn geworfen.

15
    Am nächsten Abend trafen wir uns spät, um noch einen Trinken zu gehen. Jan holte mich ab, gekleidet in Jeans und schwarzen Rollkragenpullover. Er war ordentlich gekämmt und glatt rasiert und wirkte wie ein gut aussehender Student auf dem Weg zur Vorlesung. Zuerst wollten wir nach Downtown, aber es war eiskalt draußen und wir konnten kein Taxi finden. Also landeten wir in einer Pinte in der Nähe, die mit einer wuchtigen hölzernen Bar, hohen Hockern und einem Mosaikboden ausgestattet war. Christian hatte mir den Laden irgendwann einmal empfohlen. Er war gemütlich und relativ leer. Und das Beste war: keine Spur von Christian.
    Eine Kellnerin, deren gepiercte Augenbrauen ganz verschorft waren, fragte uns, was wir wollten. Jan ließ sich von ihr alle amerikanischen Biersorten aufzählen. Dann bestellte er ein Rolling Rock; er wollte etwas Authentisches.
    »Was ich dir noch erzählen wollte«, begann Jan, eine noch nicht angezündete Zigarette in der Hand. »Ich habe deinen schwedischen Nachbarn vorhin im Foyer getroffen.«
    »Christian?«
    Jan nickte. »Er hat gerade seine Post geholt.«
    »Hast du mit ihm gesprochen?«, fragte ich.
    »Sicher«, antwortete er. »Er hat mir von einer Renovierung erzählt, mit der man ihn beauftragt hat.«
    »Oh.« Christian gab sich ein bisschen zu freundlich für meinen Geschmack. »Er ist Innenarchitekt.«
    »Das dachte ich mir.« Jan nahm einen Schluck Bier und verzog das Gesicht. »Wie Wasser.«
    »Das Bier?«
    Er lächelte. »Ich vergesse es immer wieder.«
    »Was hat er denn noch erzählt?« Ich wollte alles wissen.
    »Nicht viel. Nur, dass er mir noch einen ausgeben will.«
    »Wieso?«, fragte ich. Ich sah Christians Engelsgesicht vor mir. Was hatte er vor?
    »Keine Ahnung«, sagte Jan. »Aber wenn er mich auf einen Drink einladen will, dann soll er das ruhig machen.«
    »Ich dachte, du magst ihn nicht.«
    »Er ist okay.« Jan lächelte. »Ich glaube, er mag mich. Wir sind hier in einem freien Land.« Er lachte. Er war irgendwie ungewöhnlich gut drauf. Vielleicht lag es am Alkohol.
    Ich lachte auch, allerdings nur, um ihn nicht misstrauisch zu machen. Plötzlich fragte ich mich, ob ich Christian überhaupt kannte.
    Wir killten gerade die zweite Runde, als zu meiner Überraschung -und zu meinem Missfallen - Kyle wie ein Derwisch hereinfegte. Was hatte er hier zu suchen? Stellte er mir etwa nach? Beinahe hätte er ein Mädchen umgerannt, das am Eingang herumstand. Sie fing sich jedoch und lächelte schief. Kyle lächelte zurück und glotzte gierig auf ihr enges, schwarzes Spitzenkleid. Dann lehnte er seine knochige Hüfte gegen einen Barhocker und schaute sich um. Ich versuchte, mich hinter Jan zu verstecken, doch Kyle sah mich. Er winkte lässig, als ob er erwartet hätte, mich hier zu sehen.
    Schließlich kam er auf uns zu. »Hey«, grüßte er und deutete mit dem Daumen hinter sich. »Ich glaub, die will mich.«
    Typisch Kyle. Er brauchte ständig Selbstbestätigung. »Vielleicht solltest du mit ihrem Dad sprechen«, sagte ich und bedachte ihn mit einem »Verpiss-dich«-Blick. Aber Kyle lachte nur.
    Zum zweiten Mal war ich gezwungen, jemanden vorzustellen, den Jan eigentlich nicht hätte kennen lernen sollen. Es war mir peinlich, Kyle als meinen »ältesten Freund« einzuführen. Aber ich kam nicht drum herum und eigentlich war ich ja daran gewöhnt. Ich konnte ihn - oder die letzten elf Jahre - schlecht verleugnen. Jan wirkte nicht verärgert durch die Störung. Er schüttelte Kyle kräftig die Hand.
    »Belgier, richtig?«, fragte Kyle.
    »Ja«, bestätigte Jan. »Das Land, das die Waffel erfunden hat.«
    »Ich war in San Francisco mit ’ner Alten aus Belgien zusammen«, erzählte Kyle, ohne den Waffelwitz mitzukriegen. »Sie war vielleicht eine falsche Schlange.«
    Jan lächelte. Wahrscheinlich hatte er keine Ahnung, was er von Kyle halten sollte, obwohl er amüsiert aussah.
    Die Kellnerin kam, um die nächste Bestellung aufzunehmen. Jan fragte zu Kyles Begeisterung nach Whiskey. Die zwei hatten tatsächlich Spaß miteinander! Ich hätte sie mir nie zusammen vorstellen können.
    »Yassi ist endgültig abgehauen«, sagte Kyle. »Sie hat mich auf der Miete für das Rattenloch sitzen lassen.«
    »Du kommst drüber hinweg«, tröstete ich ihn. Ich schilderte Jan kurz die von vornherein zum Scheitern

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