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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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vor meiner Nase herum. »Nun kommen Sie schon zum gruseligen Teil -zu der Leiche.«
    »Ja, gleich«, sagte ich. »Würden Sie mich die Geschichte bitte auf meine Art erzählen lassen?«
    »Es ist einfach so... so Hitchcock-mäßig, so ganz früher DePalma. Ich halte das kaum aus. Ich wünschte, ich wäre an Ihrer Stelle gewesen. Wirklich. Eine Leiche zu finden, wie ausgesprochen ... ausgesprochen ...« Seine Stimme verebbte. Hastig kritzelte er etwas auf die Rückseite einer Quittung.
    »Also«, fuhr ich fort. »Da hab ich gesehen, dass Christians Tür offen stand. Ich habe ein paar Mal nach ihm gerufen, aber er hat nicht geantwortet. In der Wohnung stank es nach faulen Tomaten. Ich bin in sein Schlafzimmer gegangen und da lag er ... an der Wand zusammengesackt.« Malcolm sog hörbar die Luft ein. »Zuerst dachte ich, er wäre nur bewusstlos. Aber der Geruch. Ich hab also das Licht angemacht und seine Haare gesehen. Sie waren ganz voller Blut. Wie Ketchup. Und dann erinnere ich mich erst wieder, dass ich irgendwann in meiner Wohnung war; Jan hat mich hingebracht. Wahrscheinlich bin ich ohnmächtig geworden. Und das war’s. Das war es, was ich gesehen habe.« Ich schwitzte. Allein darüber zu reden, machte es wieder gegenwärtig - mein ganz privater Horrorfilm.
    »Und was ist mit Verdächtigen? Motiven? Eine Tatwaffe?« Malcolm war enttäuscht. Die Geschichte war unvollständig. »Wer war es? Wie ist der Mörder bei Ihnen ins Haus gekommen? Gibt es denn keinen Portier? Was hat der gesagt? Was hat die Polizei gesagt? Stehen Sie unter Verdacht?«
    »Natürlich nicht!«
    »Jetzt regen Sie sich bloß nicht auf«, sagte er und umrundete einen Sockentisch »Ich versuche ja nur, die Fakten festzuhalten.«
    »Vielleicht sollten Sie Detektiv werden.«
    Er verzog das Gesicht. »Ich bin ein auf menschliche Brutalität spezialisierter TV-Künstler.«
    »Oh, stimmt ja, ich vergaß.« Er war wohl noch immer bei Barneys, weil er von menschlicher Brutalität allein nicht leben konnte.
    »Aber vielleicht«, fuhr Malcolm mit einem konspirativen Lächeln fort, »war’s ja nur ein Unfall. Irgendwas Autoerotisches aus der Kategorie >Es tut so gut, wenn der Schmerz nachlässt«!«
    »Das glaube ich nicht. Das hätte die Polizei mir gesagt.«
    »Verlassen Sie sich nicht drauf.« Malcolm rieb sich sein stoppeliges Kinn. Seine neueste Theorie schien ihm zu gefallen. »Also, wenn Sie mich fragen«, erklärte er mir, »ich hab ihn von vornherein für pervers gehalten.«
    »Pervers?«
    »Er war so perfekt. Geradezu engelhaft. Das sind die Typen, vor denen man sich in Acht nehmen muss.« Er schniefte und hob mahnend den Zeigefinger.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe weder Peitschen noch Ketten noch sonst was gesehen.« Unser einziger Fick war so konventionell gewesen, wie er nur hatte sein können. Selbst die katholische Kirche hätte nichts dagegen einwenden können.
    »Aber mir ist was anderes zu Ohren gekommen«, sagte ich, als ein Rudel japanischer Touristen über die Etage getrippelt kam. »Nicht, dass ich es glaube.«
    »Was denn?«
    »Er soll gedealt haben.«
    »Sie meinen mit Drogen?«
    »Nein«, antwortete ich. »Mit Staubsaugern.«
    »Ha, ha«, sagte Malcolm stirnrunzelnd. »Sie haben mir allerdings erzählt, dass er gerne einkaufen gehen würde. Insbesondere in gehobeneren Etablissements. Und ohne Knete keine Fete, Baby.«
    »Er hatte wirklich immer ziemlich viel Bares bei sich«, gab ich zu. »Ich hätte es mir denken können ...«
    »Ach, das muss ja nichts heißen«, unterbrach mich Malcolm und schürzte die Lippen. »Ich kenne Dealer, die nehmen auch Autositzbezüge in Zahlung.« Er zwinkerte, als ob ich wissen müsste, wovon er redete.
    Plötzlich fiel mir etwas ein und ich bedachte Malcolm mit einem scharfen Blick. Bezog er sich auf seine eigenen Hinterhof-Geschäfte? Ich hatte vom Personal Gerüchte gehört, nach denen dann und wann teure Gegenstände verschwanden. Ein Mädchen, mit dem Malcolm in der Schmuckabteilung gearbeitet hatte, hatte behauptet, dass er die verschwundenen Sachen durch die Nase zog. Aber das waren Gerüchte. Malcolm kam mir nicht wie einer vor, der fünfhundert Dollar pro Woche verschnupfen konnte. Obwohl ich mich schon mal getäuscht hatte -gründlich getäuscht sogar. Und Malcolm schien immer eine Erkältung zu haben ...
    Malcolm ließ mir nicht viel Zeit, weiter darüber nachzudenken. Den ganzen Morgen entwarf er Theorien über Christians tragisches Ende:
    Christian der Experimentierfreudige, der

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