alle luegen
Trotzdem war seine elende Berechenbarkeit irgendwie tröstlich vertraut.
»Du mochtest ihn doch sowieso nicht«, fuhr er fort. »Du hast mir doch erzählt, dass er dauernd versucht hat, dich anzugraben.« Er streifte die Asche in einen Becher ab. »Das wird er wohl jetzt nicht mehr tun.«
»Wohl nicht.« Ich hatte Kyle nicht viel über Christian erzählt - nur, dass wir ein paar Mal zusammen weg gewesen waren. Ich musste mich wohl mal beschwert haben, dass Christian öfter unangemeldet bei mir aufgetaucht war. Daraus hatte er natürlich seine Schlüsse gezogen.
»Wie ist es denn passiert?«
»Ich hab ihn in seinem Schlafzimmer gefunden.« Es klang, als hätte ich es mir ausgedacht.
»Und was hast du in seinem Schlafzimmer gemacht?«
»Ich bin abends spät nach Hause gekommen. Seine Wohnungstür stand offen.«
»Ist was geklaut worden?«
»Nein.«
»Nicht mal sein Fernseher?«, fragte Kyle.
»Nein.«
»Dann muss er ja ganz schön tief in irgendeiner Scheiße gesteckt haben.« Er pflückte sich ein bisschen Gras von der Lippe.
Ich verdrehte die Augen. »Wie kommst du denn darauf?«
Kyle stieß den Rauch aus und schüttelte den Kopf. »Du wusstest so gut wie nichts über ihn.«
»Er war Schwede. Er war auf der Columbia University. Er war Innenarchitekt.« Ich wusste vermutlich mehr über Christian als über Jan.
»Innenarchitekt.« Kyle lachte abfällig. »Schöne Idee.«
»Was redest du da?«
»Er hat gedealt. Mit Koks und Gras, mit allem, was gut ist.«
»Das glaub ich dir nicht.« Das war Kyles Art, es mir heimzuzahlen.
»Das solltest du aber.«
»Warum?« Ich musste plötzlich an Christians volle Brieftasche denken. »Hast du Beweise?«
Er verzog das Gesicht, sauer, dass ich für Christian Partei ergriff. Er fand mich unloyal. »Ich hab manchmal bei ihm gekauft, wenn du’s genau wissen willst.«
Ich wäre beinahe aus dem Sessel gesprungen. »Was?«
Er nickte gelassen und lächelte, zufrieden mit dem Effekt seiner Enthüllung. »Der Kerl hat mir das beste Zeug verkauft, das ich je hatte.«
»Warum hast du mir das nicht gesagt?« Ich setzte mich wieder.
»Als er festgestellt hat, dass ich dich kenne, hat er mich gebeten, den Mund zu halten.«
»Und du hast ihm den Gefallen getan.«
»Ich hätte es dir noch erzählt... bei Gelegenheit.«
Ich schüttelte den Kopf. Kyles Logik war lächerlich, pervers. Ich saß da und starrte ihn an. Am liebsten wäre ich aufgestanden, um ihm eine zu knallen. Es war so still, dass ich den Wecker im Schlafzimmer hören konnte. Ich stand auf. In meinem Schädel hämmerte es. Ich ging in die Küche und stemmte meine Hände auf den Rand des Spülbeckens. Ich starrte in den kleinen, schwarzen Abfluss, als sich das Bild von Christian und Kyle, die sich über einen Stapel Tütchen beugten, aus dem Nichts materialisierte. »Was soll der Aufstand?«, fragte Kyle, der mir in die Küche gefolgt war und sich nun neben mich an die Arbeitsfläche lehnte. »Bist du eifersüchtig?«
»Worauf soll ich denn eifersüchtig sein?« Ich hätte fast geschrien.
»Entspann dich«, sagte Kyle und kam näher. Ich konnte den Cannabis-Geruch in seinen Klamotten riechen.
»Ich bin entspannt.«
»Ich war eifersüchtig. Ihr habt für meinen Geschmack etwas zu viel Zeit miteinander verbracht.«
Noch mehr Gelaber. Es war ein Wunder, dass ich nicht selbst einen Mord beging. »Ich hab ihn doch kaum gesehen.«
»Du hast ihn gesehen«, beharrte er und legte seine Hände auf meine Hüften. »Ich hab dich beobachtet.«
»Mich beobachtet?«, fragte ich entsetzt. Ob Kyle derjenige war, der mir gefolgt war? Der Gedanke machte mir Gänsehaut.
»Ja.« Kyle nickte, als ob das völlig normal wäre. »Ich wollte ein Auge auf dich haben ...«
Ich spürte, wie sich ein halb hysterisches Lachen durch meine Kehle aufwärts arbeitete. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«, fragte ich. Ich hatte große Lust, ihn rauszuschmeißen. »Mein Bodyguard?«
»Ich wollte nur für alle Fälle da sein«, sagte er und verzog schmollend den Mund. »Er hat gesagt, er würde dich vögeln, da dachte ich-«
»Und du hast ihm geglaubt?«, brüllte ich.
»Ich wollte ja noch mit dir darüber reden«, behauptete Kyle und schmiegte sich an mich. Der Rand der Arbeitsplatte drückte sich in meine Taille. »Wirklich.«
Besser gar keinen als Kyle als Freund. Ich hätte gerne gewusst, wie lange er schon »ein Auge auf mich hatte«. Also hatte ich mich nicht getäuscht -jemand hatte mich beobachtet und zwar Kyle. Ich
Weitere Kostenlose Bücher