Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
Vom Netzwerk:
schwarz waren.
    »Mein Gott«, sagte ich, »was ist denn mit deinen Händen passiert?«
    Er blickte auf sie herab, als hätte er sie ganz vergessen. »Ich hab sie mir zwischen zwei Rigipsplatten geklemmt. Dieser Scheiß-Tscheche hat nicht aufgepasst.« Anscheinend hatte er den Tag heute damit verbracht, für ein Improvisationstheater in Brooklyn das Bühnenbild aufzubauen.
    »Sieht aus, als ob es wehtut«, sagte ich.
    Er verzog das Gesicht. »Tut es.«
    Wir saßen ein paar weitere Minuten einfach nur da, in denen Kyle immer wieder zur Tür guckte. Dann begann er mit leiser Stimme. »Ich habe dich gebeten herzukommen, weil ich dich sehen wollte.«
    »Das ist alles?«
    Er wirkte verletzt. »Ich wollte mich vergewissern, dass es dir gut geht.«
    Schön zu wissen, dass Kyle sich so viele Gedanken um mich machte. Aber es war trotzdem total komisch.
    »Und?«
    Er nickte. »Es sieht aus, als wärst du okay.«
    Ich ging davon aus, dass er auf die Sache mit Christian anspielte. »Ich bin noch immer ziemlich durch den Wind«, begann ich. »Wenn es das ist, was du meinst.«
    »Ja«, sagte er. »Ich glaube, das ist es, was ich meine.«
    »Ich muss immer wieder daran denken.«
    »Das war klar.«
    »Es wird wohl ’ne Weile dauern.«
    Der Kellner schenkte uns Kaffee nach. Kyle trank hastig einen Schluck und verbrannte sich die Zunge. »Scheiße«, fluchte er.
    Ich lachte. Ich konnte nicht anders. Ich fragte mich immer noch, warum Kyle so besorgt um mich war. Vor einer Woche war er es noch nicht gewesen. Vielleicht hatte er inzwischen genau deswegen ein schlechtes Gewissen bekommen. Andererseits war Kyle kein Typ für Schuldgefühle. Ich konnte mir wirklich keinen Reim darauf machen. Doch bevor ich fortfahren konnte, sein kompliziertes Wesen zu durchdringen, fragte er: »Wie ist Christian eigentlich ermordet worden?«
    Das wiederum war eine typische Kyle-Frage. Er war immer schon von Blut, Eingeweide und Hirnmasse fasziniert gewesen. Christians zermatschter Schädel tauchte vor meinem inneren Auge klar wie ein Foto auf. »Sein Kopf ist gegen die Wand geschmettert worden.«
    Kyle nickte und sah sich dann wieder um. Wir waren die einzigen Gäste. »Was ist denn los mit dir?«, fragte ich. Er machte mich langsam nervös. Und ich war in den vergangenen Tagen schon nervös genug gewesen.
    »Nichts«, sagte er. »Dieser beschissene Kaffee. Mir klingeln total die Ohren.«
    Ich zog ihm die Tasse weg.
    »Hey«, rief er.
    »Genug.«
    »Ihm wurde also der Schädel eingeschlagen?«
    Ich nickte.
    »Was noch?«
    »Wie - was noch?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich weiß nicht.«
    Ich hatte keine Ahnung, worauf er jetzt wieder hinauswollte. »Warum fragst du dann?«
    »In dieser Stadt sterben dauernd Leute.«
    »Offensichtlich«, sagte ich.
    Aber Kyle war mit seinen Gedanken woanders. Er zog sich seine Kappe wieder über die Ohren, als ob er darunter verschwinden wollte. »Ich versuche bloß zu verstehen«, erklärte er.
    »Was zu verstehen?«
    »Diese ganze Christian-Scheiße«, erwiderte er, wobei er mich konzentriert ansah.
    »Wovon redest du überhaupt?« Kalter Schweiß sammelte sich in meinen Achselhöhlen.
    Er schüttelte den Kopf. »Irgendwie ist das alles total beschissen. Ich weiß nicht mal mehr, wer okay ist und wer nicht. Alles was ich weiß, ist«, er warf einen Zehner auf den Tisch, »dass jemand ziemlich angepisst ist, weil dein Euro vor seinem plötzlichen Dahinscheiden seine Angelegenheiten nicht anständig geregelt hat.«
    »Was für Angelegenheiten?« Dass er sich so vage ausdrückte, machte mich langsam wahnsinnig.
    »Ich kann’s dir nicht sagen, weil ich es nicht weiß.«
    Kyle hielt sich normalerweise für allwissend - umso erstaunlicher sein Eingeständnis. »Meinst du das ernst?«
    »Ich hab ganz schön viel Scheiß gehört«, sagte Kyle. »Das ist alles.«
    »Von wem?«
    Kyle schüttelte den Kopf. »Das willst du gar nicht wissen.«
    »Hier geht es nicht um wollen.«
    Kyle schüttelte immer noch den Kopf
    »Geht es um diese Drogensache?«, fragte ich.
    »Sei einfach nur ein bisschen vorsichtig, okay?«
    »Vorsichtig.« Ich sprach das Wort so aus, als würde ich die Bedeutung nicht kennen. »Welcher Klugscheißer hat dir das denn erzählt?«
    »Wie ich schon sagte«, antwortete er. »Das willst du gar nicht wissen.«
    Ich runzelte die Stirn. Langsam reichte es mir.
    »Vertrau mir.«
    Leider lag genau da das Problem. Ich vertraute Kyle nicht.
    »Ich geb mir Mühe«, sagte ich.
    »Wobei?«
    »Dir zu trauen.«
    Kyle setzte

Weitere Kostenlose Bücher