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Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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Christian und mir wusste. Ich fühlte mich plötzlich schuldiger als damals, in dem Moment, als ich wie eine gelangweilte Hausfrau mit meinem Nachbarn ins Bett gegangen war. Und dieses unbehagliche Gefühl verließ mich den Rest des Abends nicht mehr.

21
    Als ich später am gleichen Abend vom Essen mit Jan zurückkehrte, fand ich ungefähr zehn hysterische Nachrichten von Kyle auf dem Anrufbeantworter vor. Im Grunde wiederholte er ständig immer nur die eine Bitte: Ob ich ihn wohl bitte, bitte in einer Konditorei namens DiRobertis im East Village treffen könnte? Er müsste mir dringend etwas sagen. Der Laden war auf der und der Straße. Ich konnte die und die Bahn nehmen. Ich würde mich bestimmt nicht verirren. Er würde mich sogar anschließend wieder nach Hause bringen. Ich hatte keine Ahnung, was er von mir wollen könnte. Und der Gedanke, mich mit ihm zu treffen, war mir noch unsympathischer als früher. In letzter Zeit wusste ich überhaupt nicht mehr, wie ich Kyle einschätzen sollte. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass hinter meinem Rücken etwas vor sich ging ... ein finsterer Plan, wie ein politisches Manöver zu Zeiten des Kalten Kriegs. Trotzdem machte ich mich auf den Weg, wenn auch nur deswegen, weil meine Paranoia von meiner Loyalität zu Kyle untergraben wurde. Das, und weil sich die Nachricht so absolut un-Kyle-mäßig anhörte, dass ich mir echte Sorgen zu machen begann.
    Als ich schließlich bei DiRobertis eintraf, war Kyle natürlich nirgendwo zu sehen. Ich verfluchte ihn. Dann verfluchte ich mich selbst dafür, dass ich mich von seiner Hysterie hatte anstecken lassen. Ich würde eine halbe Stunde warten - nicht länger. Das war in etwa die Zeit, die meine eiskalten Hände und Füße zum Auftauen brauchen würden. Ich brauchte dringend einen Kaffee.
    Ich setzte mich auf eine Bank gegenüber der Tür, aber konnte trotzdem nicht viel sehen. Die Eingangstür war verstellt mit den Vitrinen, in denen sich die Kuchen türmten. DiRobertis bestand seit 1898 - und so sah es hier auch aus. Im Mosaikboden fehlte hier und da ein Stückchen, obwohl das Gesamtbild immer noch hübsch war. Fotos von der alten Welt hingen an der Wand, und die Gesichter darauf erinnerten mich an meine Familie. Im Laden roch es himmlisch nach frischem Kaffee und Karamell. Ich bestellte ein Stück Kuchen und einen Cappuccino bei einem buckligen Kellner, der augenscheinlich schon seit dem Tag der Eröffnung hier arbeitete. Dann wartete ich.
    Ich wollte gerade gehen, als Kyle mit wildem Blick hereinstolperte. Er kam schnurstracks auf mich zu und ließ sich mir gegenüber fallen als sei es eine Erleichterung, endlich nicht mehr laufen zu müssen.
    »Du kommst spät«, sagte ich und trank meinen Cappuccino aus.
    »Ich weiß«, gab er zurück und nahm seine Uniform-Kappe ab. »Ich bin aufgehalten worden. Tut mir echt Leid.«
    Das war überraschend. Eine zweite Entschuldigung von Kyle! Er entschuldigte sich sonst nie! Trotzdem war ich noch sauer. Ich wollte wirklich gern wissen, aus welchem ach so dringenden Grund er mich herzitiert hatte. »Und?«, fragte ich.
    Kyle fummelte an seiner Zigarettenschachtel. Dann winkte er dem
    Kellner und bestellte Kaffee und zwei Cannoli. »Ich brauche unbedingt einen Zuckerflash«, erklärte er.
    »Ich habe dich was gefragt.« Ich hörte mich an wie eine Mutter, die aus ihrem Kind die Wahrheit herauspressen will.
    »Ich weiß«, antwortete er. »Kannst du bitte eine verfickte Minute warten?« Er schüttelte den Kopf. »Ich fange gleich an.«
    Ich versuchte zu erraten, was in seinem Hirn vorging, aber seine Miene verriet nichts. Kyle war zappelig, was bei ihm allerdings nichts Ungewöhnliches war. Immer wieder verrenkte er sich halb den Kopf, um zur Tür zu sehen, als ob er jemand Bekannten erwartete.
    »Kann ich da sitzen?«, fragte er schließlich.
    »Wieso?«
    »Weil ich die Tür im Auge behalten will«, murmelte er.
    Ich zuckte die Achseln und wir tauschten die Plätze. »Besser?«, fragte ich gespielt freundlich.
    »Ja«, sagte er. »Na, egal.«
    Normalerweise brachte Kyle ein bisschen Humor mit - ohne den war er kein besonders guter Gesellschafter. Der Kellner schlurfte an unseren Tisch und lieferte Kyles Bestellung ab. Er verschlang seine Cannoli und schlürfte den Kaffee. Ich wartete noch immer darauf, dass er zur Sache kam - auf seine große Enthüllung. Endlich schob Kyle seinen Teller weg und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Erst jetzt bemerkte ich, dass alle seine Finger blau und

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