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seufzte. »Ich hab sogar ein paar Extra-Kopien für das Pulitzer-Komitee gemacht.«
Plötzlich fiel mir wieder ein, dass er behauptet hatte, nur dieses eine Exemplar zu haben. Ich erinnerte Malcolm daran. Daran und an seinen Wutanfall.
Es ließ ihn ziemlich kalt, bei einer Lüge ertappt zu werden. »Ach, das«, winkte er ab. »Ich mache von allem fünf Kopien - man weiß ja, was mit Hemingway passiert ist.«
»Aber Sie haben gesagt...«
»Ich weiß, ich weiß«, beschwichtigte er mich. »Ich musste ein bisschen dicker auftragen.«
Ich fragte mich zwar, wieso, aber in Anbetracht der Umstände war das jetzt auch eher unwichtig.
»Na ja, jetzt schreibe ich wieder banalen Mist«, sagte er. »Sie wissen ja, wie das ist.«
Ich wusste es nicht, schwieg aber.
»Sehen wir uns bei Kaps?«
»Oh«, bemerkte ich ganz beiläufig. »Ich kann leider nicht.«
»Warum nicht?«, fragte er.
Ich antwortete nicht schnell genug.
»Sie wollen mich nicht sehen«, sagte er mit einer Stimme, die genauso bitter klang wie damals, als er mich beschimpft hatte, weil ich sein Stück nicht gelesen hatte. »Also gut.«
»Moment«, warf ich ein. Ich hatte keine Lust, mir eine seiner Tiraden anzuhören. »Ich versuche, meine ... Termine umzulegen.« Sehr überzeugend klang ich nicht.
»Tja, dann«, sagte er beleidigt. »Bis bald.«
»Okay«, erwiderte ich und überlegte, wieso ich ihm nicht einfach mal den Marsch blies. Aber ich war eben genetisch nicht in der Lage, unhöflich zu sein.
»Viel Spaß noch«, sagte er.
»Ihnen auch.« Aber er hatte schon aufgelegt.
Ich stand da mit dem Hörer in der Hand und fragte mich, ob auch Malcolm in die ganze Geschichte verwickelt war. Inzwischen schien es mir nicht mehr außerhalb des Möglichen. Wieder kam mir Malcolms unaufhörlich laufende Nase in den Sinn. Das, und die Tatsache, dass er quasi zugegeben hatte, irgendwelche Waren gegen ein paar Lines zu tauschen. Vielleicht war Malcolms Interesse an menschlicher Brutalität doch nicht ausschließlich literarischer Natur.
26
Jan kam wie verabredet am späten Abend zu mir. Bei einer Flasche Wein erzählte ich von den Highlights des Nachmittags - begonnen mit meiner Visite bei Kyle bis hin zu Yassis bei mir. Jan hörte mir wie üblich ruhig und aufmerksam zu; nichts, was ich sagte, schien ihn wirklich zu überraschen. Ab und zu stellte er einfache Fragen. Als ich fertig war, starrte er nachdenklich in sein Glas, in dem der Burgunder tiefrot schimmerte. »Das klingt alles ganz schön ungesund.«
Das klang nicht nur so.
»Du kannst dich mit Kyle nicht mehr treffen«, fuhr Jan fort. »Ich traue weder ihm noch seinen Freunden.«
Wie gewöhnlich hatte Jan Recht. In letzter Zeit war Kyle mir nicht mehr besonders sympathisch und trauen tat ich ihm schon gar nicht. Seine Freunde hatten mich sowieso noch nie interessiert.
»Was mich an der Geschichte stört«, sagte Jan, »ist, dass das Stück so einfach verschwunden ist.« Er blickte sich in der Wohnung um. »Das bedeutet, dass jemand hier war - mit dir oder ohne dich.«
Und wie sehr mich das erst störte! Wenn Yassi einfach hier hereinspazieren konnte, dann konnten das sicher auch andere. Der Verfolgungswahn meldete sich wieder. »Ich hab Angst, dass ich als Nächstes dran bin.«
»Ich glaub nicht, dass du deswegen Angst haben musst«, meinte Jan.
»Woher willst du das wissen?«
»Weil es unsinnig wäre.«
In letzter Zeit war so einiges unsinnig gewesen.
»Hast du die Polizei angerufen?«, fuhr Jan fort, während er einen Arm um mich legte.
»Nein.«
»Ich weiß nicht so recht, ob du das überhaupt tun solltest.«
»Wegen Yassis Drohung?«
»Nein«, meinte Jan und rieb mir den Arm. »Ich will nicht, dass du hinterher mit drinhängst.«
»Das tu ich doch schon längst.«
»Das ist es, was ich befürchte.«
Ich musste nicht mehr allzu lange darüber nachdenken, ob ich die Cops anrufen sollte oder nicht.
Als wir uns gerade entschieden hatten, wohin wir zum Essen gehen sollten, klingelte es an der Tür. Ich erwartete niemanden und dachte mit Schrecken sofort an Yassi. Jan wollte für mich an die Tür gehen, aber ich wollte nur, dass er mit mir kam. »Wer ist da?«, fragte ich. Die Stimme auf der anderen Seite antwortete: »Polizei!« Ich wusste nicht, ob ich das glauben sollte. Ich blickte Jan an. Er hakte die Kette ein, ich öffnete die Tür einen Spalt weit.
Und riss die Augen auf. Es war Jacob, der Party-Promoter vom Flughafen! Er zeigte mir seine Marke, während mir die Kinnlade
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