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alle luegen

Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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wusste, wie man Leute umbrachte, also konnte sie vermutlich auch leicht in Wohnungen einbrechen. Ich stand wie angewurzelt auf der Türschwelle - mein erster Impuls war, in Carmis Schlafzimmer zu rennen und die Polizei zu rufen, aber man konnte die Tür nicht abschließen. Ich saß in der Falle. Yassi war gekommen, um mich endgültig zu erledigen. Ich war mir ganz sicher. Panik stieg in mir auf. Ich hörte mich sagen, sie sollten sofort ihren Arsch hier rausbewegen - ziemlich gewagt, aber es war raus.
    Yassi regte sich nicht. Sie sah genauso aus wie vor ein paar Tagen, nur dass sie eine riesige Sonnenbrille trug, die ihre Augen versteckte. »Ich wollte eigentlich nicht herkommen«, sagte sie und rieb sich die knochigen Hände.
    Dafür wäre ich ihr dankbar gewesen. »Nein, wäre auch wirklich nicht nötig gewesen.«
    »Aber jetzt bin ich hier.«
    Ich schwieg, während ich darauf wartete, dass sie mir den Grund nannte. »Setz dich«, fuhr sie fort und deutete mit ihrer Pergament-Hand auf Carmis Sessel. Ich tat, was man mir gesagt hatte. Erst jetzt sah ich mir den Fettsack neben ihr genauer an. Außer auf seinem Kopf wucherten Büschel schwarzer, lockiger Haare aus all seinen Poren. Er musste ungefähr 150 Kilo wiegen - ein behaartes, menschliches Fettauge. Er schwitzte; große Schweißperlen sammelten sich über seiner Oberlippe.
    »Es geht um ein Theaterstück«, fuhr sie fort.
    »Ein Theaterstück?« jetzt ging’s los. Ich fragte mich, ob sie ihre Waffe dabei hatte ... ich fragte mich, ob die Waffe einen Schalldämpfer hatte ... ich konnte überhaupt nicht denken. »Was für ein Stück?«
    »Es gibt nur eins«, kreischte sie und sprang auf. Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich musste irgendwas tun. Also zeigte ich auf Carmis Bücherregal. Carmi hatte eine stattliche Tennessee-Williams-Kollek-tion. Ich wusste nicht, warum mir das jetzt einfiel. Aber die Sammlung war mir gleich am ersten Abend aufgefallen.
    Yassi sprang auf, ging hin und legte den Kopf schief, um die Buchrücken zu studieren. »Bourgeoiser Scheiß«, knurrte sie. Was hatte sie erwartet - Bertolt Brecht? Der fette Kerl saß nur reglos da und atmete schwer, als würde er gleich zusammenklappen. Vielleicht stand er kurz vor einem Herzanfall. In seiner rechten Hand hielt er zwischen seinen Wurstfingern eine winzige Waffe, die eher wie eine Wasserpistole aussah. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich sie mir nur einbildete.
    Yassi fing an, Bücher aus dem Regal herauszureißen und durch die Seiten zu blättern. Einige davon waren Theaterstücke, andere nicht. Ich machte mir nicht die Mühe, sie darauf hinzuweisen.
    »Es ist nicht hier«, brüllte sie und bedachte mich mit einem misstrauischen Blick. Ihr Kahlkopf leuchtete dunkelrosa. »Gib mir endlich, was ich will, okay?«
    »Das würde ich ja gerne«, murmelte ich. In der Hoffnung, ein wenig Mitgefühl zu sehen, blickte ich den Fettsack an, aber seine Augen waren inzwischen geschlossen. Dann dämmerte es mir. Konnte sie Malcolm meinen? Hatten die Cops ihn bei Barneys nicht nach seiner Arbeit gefragt? Es war einen Versuch wert. »Meinst du Kitty Kats und Kleptomanen ?«, fragte ich.
    »Wovon redest du?« Sie brüllte noch immer. Vielleicht würde es jemand hören und mich retten, bevor es zu spät war.
    »Moment«, sagte ich und stand langsam auf. Ich war sicher, dass sie mich umbringen würden. Ich deutete mit dem Kopf Richtung Schlafzimmer. Yassi und der Dicke schienen sich keine Sorgen zu machen, dass ich die Bullen rufen oder weglaufen könnte. Wie hätte ich auch fliehen sollen? Durch ein Fenster im sechzehnten Stock? Ich ging ins Schlafzimmer und tat so, als wollte ich Malcolms Stück holen. Nur wusste ich leider immer noch nicht, wo ich es hingelegt hatte. Man stelle sich mal vor -wegen eines verlorenen Manuskripts umgebracht zu werden. Das war es, was ich dachte, während ich Carmis Nachttisch durchwühlte - dort, wo ich Malcolms Stück zum letzten Mal gesehen hatte. Ich hatte die Hoffnung, es einfach nur irgendwie übersehen zu haben. Aber natürlich war es nicht da. Die Angst packte mich wieder mit unvermittelter Heftigkeit. Ich hörte, wie Yassi nebenan auf Arabisch oder Algerisch - oder was auch immer - mit dem Dicken sprach. Dann plötzlich stand sie neben mir.
    »Also, wo ist es?«, fragte sie und zog die Bettdecke von der Matratze runter. Ihre Stimme war nun ruhig. Sie runzelte die Stirn. »Ich brauche dieses Stück.«
    Ich war noch nicht bereit zuzugeben, dass ich es nicht finden

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