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richtig hielt. Sie wussten von Jan und sie vertrauten mir. Im Übrigen wollte ich Jan noch nicht so bald schon wieder aufgeben. Unseren unvermeidlichen Abschied noch eine Weile aufzuschieben würde nicht das Schlechteste sein. In weniger als einem Monat wäre ich wieder in Kalifornien. In der Zwischenzeit würde ich ein bisschen Zeit in Belgien verbringen. Vielleicht konnten wir ja auch nach Paris fahren. Dann würde ich nach Hause zurückkehren. Was hatte ich zu verlieren?
Als ich in den Flur hinaustrat, stieß ich auf ein paar Leute, die sich um den Verwalter scharten. Er warf mir einen warnenden Blick zu, der Sagen Sie ja nichts! zu bedeuten schien. Vielleicht versuchte er, sich ein paar Extra-Dollar zu verdienen, indem er Touristen herumführte, so nach dem Motto Besuchen Sie einen echten Tatort! Mir wurde flau im Magen. Aber dann begriff ich. Die Leute waren hier, weil Christians Wohnung zu vermieten war. Sie wussten nicht, dass dort drin jemand umgebracht worden war - oder es war ihnen egal. Vermutlich hatte der Vermieter die blutbesudelte Tapete überstrichen und die Miete um fünfhundert Dollar angehoben.
Jan wartete in der Eingangshalle. Er sah aus, als sei er dreißig Blocks weit durch den Wind marschiert. Seine Haare waren zerzaust, seine Wangen ganz rosig. Er lächelte über das ganze Gesicht. Ich freute mich auch sehr, ihn zu sehen. Er verriet mir, dass wir die Nacht in einem Nobelhotel auf der Upper East Side verbringen würden - das war seine Überraschung! Die Tatsache, dass er sich so etwas Romantisches für uns ausgedacht hatte, ließ seine Attraktivität für mich noch wachsen. In dem Hotel, in dem er hier in New York abgestiegen war, hatte ich ihn kein einziges Mal besucht. Ich war nur mal in der Lobby gewesen, wo ich ja dann auch Eddie, seinen Kunden, kennen gelernt hatte. Jan hatte mich nicht mit hinaufnehmen wollen; er hatte gemeint, dass sein Zimmer nicht besonders sehenswert sei - außerdem zu voll gestopft und laut. Mir war das recht gewesen - ich bewegte mich lieber auf vertrautem Terrain.
Das Hotel war eine dieser Luxus-Absteigen, in denen sich alte, reiche Leute mit winzigen, japsenden Hündchen einmieteten. Die Eingangshalle war mit weißem Marmor, riesigen Blumenarrangements und einer Armee von Bediensteten in dunkelroten, mit Goldlitzen versehenen Uniformen ausgestattet. Während Jan eincheckte, stand ich vor dem Aufzug und beobachtete die gut gekleideten Leute, die ein- und ausstiegen. Ein Page fragte mich, ob ich einen Koffer hätte. Es machte mir Spaß, das zu verneinen. Er hielt mich wahrscheinlich für ein Callgirl.
Jan hielt seinen kleinen, schwarzen Koffer in der Hand. Er hatte ihn vorher schon hier deponiert. »Na«, fragte er, als wir den Fahrstuhl betraten. »Was sagst du?«
»Schick.«
»Ich dachte mir, es könnte Spaß machen, so zu tun, als wären wir richtig reich.«
»Du bist reich«, sagte ich, »oder?«
»Ich habe diverse Rücklagen«, antwortete er lächelnd.
Jan hatte offensichtlich Geld. Bislang war es mir nur noch nicht wirklich zu Bewusstsein gekommen.
Das Zimmer war sehr groß, das Bett ebenso. Die Ausstattung bestand aus geschnitzten Möbeln, Messinglampen und dicken Vorhängen. Alles wirkte so überladen, dass wir beide lachen mussten. »Es ist nicht ganz das, was ich erwartet hatte«, meinte Jan, während er sich genauer umblickte.
»Mir gefällt es«, sagte ich. Irgendwie passte es zu Jan. Es hatte den Charme der alten Welt.
»Sicher?«
»Ganz bestimmt.« Ich ging zum Bad und schaltete das Licht ein. Es hatte die Größe von Carmis Wohnzimmer. »Das Bad ist fantastisch!«
Jan ging zur Minibar und mixte zwei Drinks. Ich setzte mich aufs Bett und sah ihm zu. Er reichte mir einen Gin Tonic und ließ sich auf das Sofa am Fenster fallen. Ich nippte an meinem Longdrink; der Alkohol jagte mir einen Schauder über den Rücken.
»Morgen reist du also ab«, begann ich. Ich wollte es ihm jetzt sagen.
Jan nickte und trank einen Schluck. »Ich muss zurück.«
»Ich weiß«, erwiderte ich und hob erneut mein Glas an die Lippen. Meine Eröffnung erforderte etwas Mut.
»Also?«
»Also«, wiederholte ich.
»Kommst du mit?«
»Willst du das denn?«
Jan stellte sein Glas auf den Tisch. Er setzte sich neben mich aufs
Bett und küsste mich lange. »Ich will, dass du mit mir kommst«, sagte er. »Du kannst zwei Tage oder zwei Wochen bleiben. Wie immer du willst...«
»Okay«, sagte ich. »Dann lass uns fahren.«
Er lächelte. »Dann ist es also
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