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Titel: alle luegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Castaldo
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abgemacht.«
    »Ja.« Ich kippte den Rest Gin herunter. Ich hätte gerne gefeiert, doch irgendwie beschlich mich ein ungutes Gefühl. Vielleicht lag es an dem, was Kyle gesagt hatte, auch wenn ich ihm nicht glaubte. Vielleicht lag es aber auch nur daran, dass ich so etwas noch nie getan hatte.
    Jan hatte seinen Koffer geöffnet und wühlte nun darin herum. »Ich wollte mir das eigentlich für später aufsparen«, erklärte er, während er mir einen rosafarbenen Seiden-Beutel gab. »Aber ich kann’s nicht mehr erwarten.«
    Ich hielt den Beutel in meiner Hand. Ich wollte ihn nicht zu eilig öffnen. Der Gedanke, dass er etwas für mich ausgesucht hatte, brachte mich zum Lächeln. Es war schon lange her, dass mir ein Mann etwas Schönes geschenkt hatte - mit der Ausnahme gewisser Schuhe, versteht sich. Und die hatte ich eigentlich nicht haben wollen.
    »Mach auf«, drängelte er.
    Ich löste die schwarze Kordel und schüttete den Inhalt in meine Hand. Eine Goldkette mit winzigen Diamanten. Sie war wunderschön.
    »Die hat mal einer Inderin gehört«, erklärte Jan. »Eine sehr alte Kette.«
    »Sie ist so schön«, entfuhr es mir. Unwillkürlich musste ich daran denken, dass Diamanten dem indischen Aberglauben nach Gefahren abwehren konnten. Ob Jan diese Legende kannte? »Ich habe aber nichts für dich!«, sagte ich und kam mir total blöd vor.
    »Ich will auch gar nichts«, antwortete er, während er mir die Kette umlegte. »Geh und guck sie dir an.«
    Ich lief ins Badezimmer. Die Kette lag in der Vertiefung in der Mitte zwischen meinen Schlüsselbeinen — sie hatte die perfekte Länge. Meine olivfarbene Haut schimmerte durch die filigrane Goldschmiedearbeit. Wenn die Diamanten nicht gewesen wären, hätte es auch ein Henna-Tattoo sein können. Die Kette war absolut richtig für mich. Und das rief ich auch Jan zu, der im Wohnzimmer geblieben war.
    »Das freut mich«, rief er zurück.
    Ich ging zu ihm.
    »Trag sie ab und zu«, bat er, »um an mich zu denken.«
    »Ich werde sie immer tragen«, sagte ich. Dabei brauchte ich keine Kette, um an Jan zu denken. Das tat ich inzwischen ganz automatisch.

32
    Wir gingen erst spät essen. Ich hatte Kopfschmerzen von den drei Gin Tonic und Jan war ganz aufgekratzt. Er brauchte eine Pause von dem >Refugium des Sonnenkönigs«, wie Jan unser Hotelzimmer nannte. Wegen der eisigen Abendluft nahmen wir ein Taxi zu einem überfüllten indischen Restaurant im Village. An den Fenstern des Ladens hingen Dutzende von blinkenden Lichterketten. Die Wände waren mit Stoffen im Kinderkleidungsdesign geschmückt, auf denen Wörter aufgedruckt waren: blau, Katze, Bleistift und so weiter. Die Decke war komplett mit Papierdeko aus dem Supermarkt zugehängt. Der winzige, rechteckige Raum sah aus wie ein Festwagen auf einem Umzug. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er sich vorwärts bewegt hätte - durch pures Chaos angetrieben. Obwohl es schon nach zehn war, drängten die Leute sich an den Tischen.
    Wir erwischten Plätze weit hinten, neben der lärmigen Küche, während die indische Popmusik mit dem Stimmengewirr wetteiferte. Ein Kellner, der wie sechzehn aussah, kam zu uns. Jan bestellte Bier.
    »Wie hast du diesen Laden entdeckt?«, fragte ich, während ich mich über den winzigen Tisch beugte.
    »Gefällt er dir?«, fragte er lächelnd.
    »Ich liebe ihn!«
    »Er erinnert mich an das Original«, sagte Jan.
    »Indien, meinst du.«
    Jan nickte. »Vor allem wegen der Gerüche.«
    Die Luft war mit Kochdüften geschwängert. Sie würden sich in meinen Haaren und meiner Kleidung festsetzen.
    Mir fiel ein, dass ich noch gar nicht wusste, wie der morgige Tag ablaufen sollte. »Wann fliegen wir?«, fragte ich.
    Er schaute von seiner Karte auf. »Spät«, sagte er. »Gegen acht. Du hast den ganzen Tag Zeit, um alles zu erledigen.«
    Ich nickte. Bis morgen war noch lange hin. Meine Entscheidung kam mir immer noch nicht wirklich vor.
    »Willst du deine Eltern anrufen?«
    Eine seltsame Frage. Aber wahrscheinlich wollte er nur höflich sein. »Natürlich«, sagte ich.
    »Und was wirst du ihnen sagen?«
    »Dass ich mit dir nach Europa fliege.«
    Er nickte. Der Kellner kam zurück. Jan bestellte für uns. Da ich keine Ahnung von indischem Essen hatte, war es mir recht. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück. »Und was ist mit deinem Onkel?«
    »Ich schreibe ihm eine Nachricht.«
    »Und sagst ihm dasselbe?«
    »Ja«, antwortete ich. »Hör auf, dir Gedanken zu machen. Ich kümmere mich schon

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